Kritisch kranke Patienten erhalten auf der Intensivstation häufig Protonenpumpenhemmer, um Magendarmblutungen vorzubeugen. Doch die Prophylaxe scheint weniger zu bewirken als vermutet, so das Ergebnis einer kürzlich veröffentlichten internationalen Studie.
Wer auf einer Intensivstation hospitalisiert ist, befindet sich in einem kritischen Gesundheitszustand. Wenn der Mensch um das Überleben kämpft, schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus, was den Magendarmtrakt angreifen und zu Magendarmblutungen führen kann. Zur Prävention erhalten deshalb bislang die meisten Patienten auf Intensivstationen routinemäßig ein Magenschutzmedikament. Aber ist die Gabe solcher Arzneimittel wirklich sinnvoll? Dies war die Leitfrage einer groß angelegten Studie, deren Ergebnisse gestern am Europäischen Kongress für Intensivmedizin in Paris präsentiert wurden.
Auf 33 Intensivstationen in sechs EU-Ländern und in der Schweiz wurde im Rahmen einer Studie untersucht, ob diese Praxis den Krankheitsverlauf verbessert. Die groß angelegte Studie umfasste 3.298 kritisch kranke Patienten während ihrer Hospitalisierung auf der Intensivstation. Das Inselspital Bern war Schweizer Studienkoordinationszentrum. Die Hälfte der Patienten erhielt zur Vermeidung von Magendarmblutungen einen Protonenpumpenhemmer, die andere Hälfte ein Placebo. Nach 90 Tagen war die Anzahl der verstorbenen Patienten in den Vergleichsgruppen der zuvor lebensbedrohlich kranken Menschen nahezu identisch. Auch Ereignisse wie Lungenentzündungen, bestimmte Darmentzündungen oder die Häufigkeit von Herzinfarkten traten gleich häufig auf. Die Anzahl der Behandlungstage ohne notwendige Organunterstützung auf der Intensivstation war in den beiden Gruppen ebenfalls vergleichbar. Insofern konnten die Forscher keinen signifikanten Mehrwert der medikamentösen Prophylaxe für die Gesamtheit kritisch Kranker feststellen.
Joerg C. Schefold, Professor an der Universitätsklinik für Intensivmedizin im Inselspital Bern leitete die Untersuchung in der Schweiz. Er ordnet die Ergebnisse als sehr relevant für die globale Praxis auf allen Intensivstationen ein: „Unsere neuen Daten zeigen, dass vermutlich nur wenige kritisch kranke Patienten von der vorbeugenden Gabe eines solchen Magenschutzmedikamentes profitieren. Intensivmediziner sollten somit kritisch hinterfragen, ob die routinemäßige Gabe eines solchen Medikamentes wirklich angezeigt ist – insbesondere da es hier um lebensbedrohlich erkrankte Patientinnen und Patienten geht.“ Der Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Bern.