Good News für erblich vorbelastete Frauen mit Mutationen in den Genen BRCA1 oder BRCA2: Das Risiko, ab einem Alter von 40 Jahren an Brustkrebs zu erkranken, sinkt mit der Zahl der erlebten Schwangerschaften. Bislang war dieses "Schutzschild" gegen Krebs lediglich in der Allgemeinbevölkerung beobachtet worden, genetisch vorbelastete Frauen könnten von den jetzt veröffentlichten Ergebnissen profitieren.
Zu diesem Schluss gelangt die internationale Studie IBCCS(International BRCA1/2 Carrier Cohort Study), an der auch das DeutscheKrebsforschungszentrum (DKFZ) beteiligt ist.
Das Team um JennyChang-Claude von der Abteilung Klinische Epidemiologie des DKFZuntersuchte gemeinsam mit Nadine Andrieu vom Nationalen Institut fürGesundheit und medizinische Forschung (INSERM) in Frankreich anhand derDaten von 1600 Studienteilnehmerinnen, ob und wie sich Faktoren derreproduktiven Phase (Stillen, Schwangerschaft, Zeitpunkt der erstenSchwangerschaft, Fehlgeburten, Schwangerschaftsabbruch) bei dieserPersonengruppe auf das Brustkrebsrisiko auswirken. AlleStudienteilnehmerinnen hatten eine Mutation in den BrustkrebsgenenBRCA1 oder BRCA2, davon waren 853 an Brustkrebs erkrankt.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Brustkrebsrisikovon Frauen mit einem Kind genauso hoch ist wie bei Frauen ohne Kinder.Unter den Frauen mit mehreren Kindern hatten jedoch Mütter mit jedemweiteren Kind ein um 14 Prozent niedrigeres Risiko, ab einem Alter von40 Jahren an Brustkrebs zu erkranken. Der positive Effekt geht nachAnsicht der Forscher möglicherweise darauf zurück, dass diemilchproduzierenden Zellen im Drüsengewebe der Brust erst während einerSchwangerschaft vollständig ausreifen. Denn mit zunehmendemReifungsgrad der Zellen nimmt die Neigung zu entarten ab, vermuten dieForscher.
Ein deutlicher Unterschied zeigte sich, wenn die Epidemiologendas Krebsrisiko nach Art der Mutation bewerteten: Unter den Frauen mitMutation im BRCA2-Gen war das Krebsrisiko im Vergleich zuErstgebärenden unter 20 Jahren etwa doppelt so hoch, wenn die ersteGeburt in einem späteren Lebensalter erfolgte. Bei Trägerinnen einerMutation im BRCA1-Gen stellten die Wissenschaftler genau das Gegenteilfest: Das Risiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken, war bei denFrauen niedriger, die ihr erstes Kind erst in einem Alter von 30 odermehr Jahren bekamen. Keine Rolle für das Krebsrisiko spielte indes, obdie Schwangerschaften durch eine Fehlgeburt oder eine Abtreibungvorzeitig beendet wurden. Auch die Stillgewohnheiten scheinen beiMutationsträgerinnen keinen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko zuhaben.
Die jetzt publizierten Ergebnisse stellen nur einen Teil der gutenNachrichten in Sachen Brustkrebsbekämpfung dar. Denn selbst wenn dieTumore ausgebrochen sind, könnten potentere Mittel die Krankheitbekämpfen helfen. "Bei Brustkrebs werden in den nächsten fünf Jahrendie größten Therapiefortschritte unter allen frauenspezifischenKrankheiten erreicht", ließen führende Medizinexperten in eineraktuellen Studie zum Thema "Frauengesundheit", die das Institut fürSozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité imAuftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA)durchgeführt hat, verlautbaren. Befragt wurden 150 Experten ausWissenschaft und Pharmaindustrie.
"Den medizinischen Fortschritt erhoffen sich die Experten vor allemdurch neue zielgerichtete Krebsmedikamente und verbesserteChemotherapeutika", erklärte. Ursula-Friederike Habenicht, Leiterin derForschungsabteilung Gynäkologie und Andrologie der Schering AG, bei derVorstellung der Ergebnisse a, Dienstag dieser Woche in Berlin.
Neue Generation "kluger" Krebsmedikamente
Zwar werden dem Papier zufolge die Erkrankungszahlen beiBrustkrebs weiter ansteigen. Als Gründe werden Faktoren wie einzunehmendes Alter, Kinderlosigkeit oder späte Schwangerschaftengenannt. Dennoch zeigen sich die Experten optimistisch: 94 Prozent derSpezialisten gehen von Therapiefortschritten bei Brustkrebs innerhalbder nächsten fünf Jahre aus; und diese könnten zu einer längerenLebenszeit und einem Gewinn an Lebensqualität führen. "Es gibtverschiedene innovative Ansätze in unterschiedlichen Phasen derEntwicklung. Dazu gehören so genannte kluge Krebsmedikamente, die denTumor gezielt angreifen und gesundes Gewebe schonen", erklärtHabenicht.
Neue EU-Leitlinien zur Brustkrebsvorsorge
Der Vorstoß der Pharmaindustrie freilich kommt nicht ohne Grund - denndie EU macht Druck. Erst Anfang dieses Jahres hatte die EuropäischeKommission die vierten Europäischen Leitlinien zur Qualitätssicherungbei der Brustkrebsvorsorge und -diagnose veröffentlicht. Diese sollendie Überlebensrate bei Brustkrebs in ganz Europa erhöhen. Zudem dienendie Leitlinien Orientierung in Bezug auf bewährte Verfahren undbasieren auf Beiträgen von mehr als 200 Fachleuten aus 18EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen, der Schweiz, Israel, Kanada und denVereinigten Staaten.
Dass der Kampf gegen Brustkrebs längst auch die Bereiche der Diagnostikerfasst hat, spiegel die Leitlinien wieder. Zum ersten Mal spieltnämlich die digitale Mammografie in den Leitlinien eine Rolle. Der fürGesundheit und Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissar MarkosKyprianou begründete die Notwendigkeit dieser Untersuchung: "Jedes Jahrkönnten in Europa etwa 32000 Todesfälle durch Brustkrebs vermiedenwerden, wenn überall in der EU die bewährten Verfahren für dasMammografie-Screening angewandt würden." Kyprianou betonte, diefrüheren Fassungen der Leitlinien zur Screening-Qualität hätten bereitsviel bewirkt. Dennoch sei es ausgesprochen wichtig, dass alle Ärzte dieLeitlinien als Orientierungshilfe verwendeten.
Innovationen aus dem DKFZ
Ist der Krebs erst erkannt, spielt die Effizienz der Therapiedie entscheidende Rolle. Denn bei vielen Brustkrebspatientinnen ist dievollständige Rückbildung des Tumors im Zuge einer Chemotherapie eingünstiger Prognosefaktor. Wird die Therapie vor der chirurgischenEntfernung des Tumors begonnen, können die Ärzte außerdem mitverfolgen,ob der Tumor mit der erhofften Rückbildung reagiert. Allerdingsprofitieren nicht alle Patientinnen gleichermaßen von den Zellgiften:Je nach Therapieschema findet man in der Gewebeuntersuchung bei 25 bis30 Prozent der Behandelten nach den vorgeschriebenen Therapiezyklenkeinerlei Tumorzellen mehr. Die übrigen Betroffenen sprechen nicht odernur teilweise auf die Medikamente an.
Ein innovatives Therapieschema bei Brustkrebs ist dieKombination von Gemcitabine, Docetaxel und Doxorubicin. Ärzte undWissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und derHeidelberger Universitäts-Frauenklinik haben einen Test entwickelt, dervorhersagt, bei welchen Patientinnen diese Medikamentenkombination zueiner vollständigen Vernichtung der Tumorzellen in der Brust führt. DerTest wird an Biopsiematerial aus Krebsknoten durchgeführt. In dieUntersuchung waren hundert Brustkrebspatientinnen einbezogen, derenTumoren noch keine Metastasen abgesiedelt hatten.
Mit einem Genchip, der 21.139 menschliche Gene repräsentiert,identifizierten die Forscher in den Krebszellen einer Gruppe vonPatientinnen ein bestimmtes Muster an Genaktivitäten. DiesesAktivitätsprofil kennzeichnet solche Tumoren, die durch dieDreifachtherapie komplett eliminiert werden. Bei einer zweiten Gruppevon erkrankten Frauen wurde anschließend gezeigt, dass anhand diesesAktivitätsmusters der Erfolg der Dreifachtherapie vorhergesagt werdenkann.
Das auch als "Signatur" bezeichnete Aktivitätsmuster derChemotherapie-sensiblen Tumoren umfasst 512 verschiedene Gene. Diemeisten davon tragen die Information für Proteine, die an derDNA-Reparatur oder am programmierten Zelltod, der Apoptose, beteiligtsind oder die ihrerseits die Aktivität anderer Gene regulieren.
"Entscheidend für den prognostischen Wert unseres Tests ist, dass wirnicht einfach das Ansprechen auf die Dreifachtherapie untersucht haben,sondern uns auf die vollständige Tumorrückbildung konzentrieren.Dadurch erhöhen wir die Aussagekraft des Tests", sagt Peter Lichter ausdem Deutschen Krebsforschungszentrum. "Ob und wann der Test in derklinischen Routine eingesetzt werden kann, müssen nun Untersuchungen angrößeren Gruppen von Patientinnen zeigen."
Die eingangs erwähnten Schwangerschaften erscheinen angesichtsder breiten Front gegen den Brustkrebs als weiterer, wichtiger Bausteinin der Prävention. Darüber nachzudenekn, lohnt bei Frauen mitKinderwunsch allemal: Mit 55.000 Neuerkrankungen ist Brustkrebs diehäufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Im Jahr 2003verstarben 17.173 Frauen an der Erkrankung. Rund 79 Prozent allerPatientinnen überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnose.