Was geht eigentlich im Gehirn eines Transsexuellen vor? Und wie arbeiten die Nervenzellen beim autogenen Training? Was bisher vor allem Psychologen interessierte, wird jetzt zur Domäne der Radiologie, wie der Deutsche Röntgenkongress in Berlin zeigte.
Wer wissen möchte, was den Menschen im Innersten zusammenhält, landetfrüher oder später beim zentralen Nervensystem. Das entzog sichjahrzehntelang der direkten Beobachtung, weil jedes Mal, wenn derForscher sich Teile davon auf seinen Labortisch holte, zwar schöneAktionspotenziale sichtbar wurden. Letztlich ging durch diesen Ansatzaber das Ganze, das spezifisch Menschliche, flöten. Durch neueUntersuchungsverfahren, und hier insbesondere durch die funktionelleMagnetresonanztomographie (fMRT), hat sich das in letzten Jahrengrundlegend geändert. Die fMRT ermöglicht es, dem Gehirn beim Denkenzuzusehen. Radiologen lieben das, wie auf dem 87. DeutschenRöntgenkongress in Berlin deutlich wurde.
"Körper! Sei jetzt sofort warm durchströmt!"
In diesem Jahr waren vor allem die Sonderlinge dran, jene Menschenalso, die Dinge tun, die andere nicht verstehen und die deswegenbesonders interessant sind. Vor allem zwei Studien dürftenAufmerksamkeit erregen. Beide wurden von Wissenschaftlern derUniversität Essen gemacht. In einer ersten Studie gingen sie der Fragenach, was eigentlich im Gehirn von Menschen passiert, die behaupten,autogenes Training sei gut für sie. Der autogen Trainierende stelltsich bekanntlich mit dem Ziel der tiefen Entspannung schwernachvollziehbare Dinge vor, etwa dass der Körper warm wird oder dasssich das Bein plötzlich ganz schwer anfühlt. Insgesamt zwölf Probanden,die diese Fähigkeit nach eigenem Bekunden hatten, wurden an der Klinikvon Professor Michael Forsting mittels MRTuntersucht und mit zwölf Kontrollpersonen verglichen. Diese hatten sichdieselben Dinge vorzustellen, damit ein guter Vergleich möglich wurde.Das Ergebnis war bemerkenswert: Tatsächlich gelang es den mit autogenemTraining vertrauten Personen, jene Gehirnareale zu aktivieren, derenAktivität zu erwarten gewesen wäre, wenn es sich um einen echtenStimulus gehandelt hätte. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um derjeweiligen Extremität zugeordnete Areale des sensorischen undmotorischen Cortex. Ganz anders bei den Kontrollpersonen: "Hier wardiese klare Zuordnung nicht zu beobachten. Was wir aber fanden, wareine verstärkte Aktivierung des Sprachzentrums", so Forsting in Berlin.Mit anderen Worten: Wer nichts von autogenem Training verstand, gingrelativ rational an die Sache heran und versuchte, innerlich auf sichein zu reden um die gewünschten Effekte zu erreichen. Trainingsprofisdagegen machten das alles einfach nur mit viel Gefühl.
Transsexuelle sind auch im MR andersrum
Um Gefühle ging es auch in der zweiten Studie, in der sich die Ärztefragten, was wohl im Gehirn eines Transsexuellen vorgeht, der mitvisuellen erotischen Stimuli konfrontiert wird. Auch hier wurden zwölfPersonen untersucht. Als Vergleichsgruppen dienten je zwölf nacheigenem Bekunden strikt heterosexuelle Frauen und Männer. "Es war schonaus Voruntersuchungen bekannt, daß sich bei Männern und Frauen in derfMRT Unterschiede zeigen, wenn erotische Stimuli präsentiert werden",sagte Dr. Elke Gizewski in ihrem Vortrag in Berlin. Diese Unterschiedebestätigen alte Vorurteile: Männer reagieren stärker als Frauen mitneuronalen Aktivierungen im limbischen System. Ein Schelm wer hier vonTriebsteuerung redet. Bei den transsexuellen Männern beobachtetenGizewski und ihre Kollegen nun keine solche männliche Aktivierung deslimbischen Systems. "Wir fanden eher ein Muster wie wir es vonweiblichen Probanden kennen", so Gizewski. Tatsächlich ist also das vonTranssexuellen angegebene Gefühl, sich wie in einem weiblichen Körperzu fühlen, anhand der fMRT-Reaktion auf erotische Stimulineurophysiologisch nachvollziehbar. Die Initiative für diese Studie seiübrigens von den Psychologen ausgegangen, nicht von den Radiologen, soGizewski. Gesucht war ein diagnostisches Verfahren, das unter Umständenim Vorfeld einer Umwandlungsoperation eingesetzt werden könnte, um beider Entscheidung nicht nur auf die Psychologie angewiesen zu sein.