Eine aktuelle Publikation über die Dreijahresergebnisse der getABI-Studie könnte bei Medizinern ein Umdenken im Praxisalltag bewirken: Schon die leichte Verkalkung der Arterien in den Beinen erhöht die Sterblichkeit der Patienten drastisch.
Jeder zehnte Patient, bei dem eingangs eine mangelnde Durchblutung derBeine festgestellt worden war, verstarb während der Beobachtungszeit -die Rate ist doppelt so hoch wie unter Patienten mit normalerDurchblutung. Für die bundesweit durchgeführte "German epidemiological trial on ankle brachial index" Studie (getABI)wurden insgesamt 6.880 Patienten über 65 Jahre erstmals im Oktober 2001in 344 teilnehmenden Hausarztpraxen untersucht. 18 Prozent von ihnenlitten an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK). Das Ausmaß der Folgen stand nach der dreijährigen Beobachtungsdauerfest: Von den Patienten mit PAVK war jeder zehnte verstorben (10,9Prozent). In der Gruppe ohne PAVK indes machte die Rate der Todesfällelediglich 4,2 Prozent aus - und lag damit um die Hälfte niedriger.
Die Auswertung brachte wichtige Details zu Tage. Je ausgeprägterbeispielsweise die Blutdruckdifferenz zwischen Arm- und Knöchelarterie(Knöchel-Arm-Index, ABI) ausfiel, umso höher war die Sterblichkeit derPatienten. In der Gruppe mit Unterschieden von mehr als 50 Prozent zumnormal-ABI (ABI < 0,5) waren nach drei Jahren 18,4 Prozent derPatienten verstorben. Damit scheint festzustehen, dass schon eineleichte Arterienverkalkung das Sterberisiko deutlich erhöht. "Diebisherigen Studien und Leitlinien definierten eine Blutdruckdifferenzzwischen Armen und Beinen von mehr als 10 Prozent als krankhaft (ABI< 0,9). Nach unseren Ergebnissen sind aber auch Patienten mitABI-Werten zwischen 1,1 und 0,9 nicht gefäßgesund - sie müssenregelmäßig nachuntersucht werden", fordert daher einer der Mitautorender Studie, der an der Universität Heidelberg forschende Curt Diehm.Auch aus der Sicht des Studienkoordinators Hans Joachim Trampisch vonder Ruhr-Universität Bochum liegt der Nutzen der Studie auf der Hand:"Die Daten sind von hohem Nutzen für die Analyse des Status Quo in derVersorgung der Patienten mit PAVK bzw. Atherosklerose und für dieAbleitung von Verbesserungsmaßnahmen."
Schnelle Diagnose, geringere Kosten?
Die scheinen in der Tat dringend angebracht. Denn nahezu jeder fünfteältere Patient in der hausärztlichen Praxis ist von der peripherenarteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) betroffen - oft ohne es zuwissen. Die Kosten der Folgeerkrankungen der Arterienverkalkung sindimmens und lassen sich nur schwer konkret erfassen, weil Herzinfarktund Schlaganfall auch andere Ursachen haben als atherosklerotische Veränderungen. Dochschon der Blick auf die Schlaganfall-Therapie lässt ahnen, um welcheDimensionen es sich handeln könnte. So machte die Ärztekammer Hamburgbereits im Jahr 2003 auf die sozio-ökonomischen Folgekosten eineseinzigen Schlaganfalls aufmerksam. Danach betragen diese in den USArund 90.000 US-Dollar pro Patient. Die Werte dürften hierzulandeähnlich ausfallen - bei rund 200.000 Schlaganfallpatienten pro Jahr.Selbst wer die wirtschaftlichen Aspekte beiseite legt, erkennt denNutzen der schnellen Arterienverkalkung-Prävention, zumal jedes Jahrmehr als 90.000 Menschen einen Herzinfarkt erleiden. Die Zahlen, daslassen die jetzt im European Heart Journal publizierten Ergebnissehoffen, werden womöglich sinken - falls Ärzte die leichteArterienverkalkung ihrer Patienten nicht auf die leichte Schulternehmen.