Einen Durchbruch vermelden Medizintechniker im Bereich der Dual-Source-Computer-Tomographie: erstmals ermöglicht die Technologie hoch auflösende Aufnahmen des schnell schlagenden Herzens - mit der Hälfte der bislang nötigen Strahlung. Seit Anfang Juni ist das deutschlandweit erste Gerät am Klinikum der Universität München in Großhadern im klinischen Einsatz.
Die Nachricht ging im allgemeinen WM-Vorbereitungsfieber unter - und ist doch eine kleine Sensation. Denn der jetzt in München für den klinischen Einsatz in Betrieb genommene Dual-Source-Computertomograph (DSCT) markiert womöglich den Beginn einer neuen Ära der Computertomographie. Der Betriebsaufnahme in München war die technische Erprobung und erste klinische Tests an der Universität Erlangen-Nürnberg vorausgegangen. Jetzt bietet Großhadern als erste Klinik Patientenuntersuchungen mit der neuesten CT-Technologie an - vor allem Kardiologen und Notfallmediziner könnten von der Technik profitieren.
Denn im Vergleich zu seinen Vorgängermodellen verfügt das DSCT-Gerät über zwei Röntgenstrahler und zwei Detektoren. Die Folge: extrem detaillierte klinische Aufnahmen sind "mit unvergleichlich hoher Geschwindigkeit zu erzielen", wie Hersteller Siemens anlässlich der Münchner Geräteeinweihung betonte. Tatsächlich können selbst rasch oder unregelmäßig schlagende Herzen durch die stabile, zeitliche Auflösung von 83 Millisekunden detailgenau in höchster Qualität dargestellt werden.
Rasante Geschwindigkeit, beste Bildqualität
Ein Blick ins Eingemachte des Wundergeräts offenbart dessen Geheimnis. Erst die gleichzeitige Nutzung von zwei Röntgenröhren und zwei Detektoren lässt das Gerät schneller als jede bestehende CT-Technologie arbeiten. Bei einer Rotationszeit von 0,33 Sekunden pro Umdrehung beispielsweise kann die EKG-synchronisierte Bildgebung mit einer temporalen Auflösung von 83 ms durchgeführt werden - und dies unabhängig von der Herzfrequenz. Der Vorteil liegt dem Hersteller zufolge auf der Hand: "Dadurch werden artefaktfreie Herzaufnahmen bei allen Patienten möglich".
Auch vollkommen neue Anwendungen sind dank der Doppelkraft im Inneren des CT möglich. Beispielsweise können gleichzeitig Scans mit unterschiedlichen Energiestufen pro Röhre durchgeführt werden, bei denen zwei Datensätze mit verschiedenen Informationen entstehen. "Auf diese Weise können wir zum Beispiel Gefäße, Knochen und Weichteile besser differenzieren", bestätigte Maximilian Reiser, Direktor des Instituts für Klinische Radiologie der Universität München, die Vorteile des Geräts. Zudem erfüllt es viele Anforderungen der Akutversorgung. Die Diagnose von Patienten mit akuten Brust- oder Bauchschmerzen etwa gehört ebenso dazu wie Untersuchungen bei Polytraumen oder Verdacht auf Schlaganfall. Aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit und Detailgenauigkeit erlaubt der neue CT sicherere und schnellere Diagnosen als je zuvor - unabhängig von Größe, Statur und gesundheitlichem Zustand des Patienten.
Während viele Errungenschaften der Medizintechnik von den Herstellern als "Durchbruch" gefeiert werden, und erst der Alltag die Schwächen der Systeme offenbart, scheint im Falle des DSCT die Lage anders zu sein. Auf einem Symposium der Bayerischen Akademien der Wissenschaften am 10. Mai dieses Jahres kam der am Institut für klinische Physik der Universität Erlangen-Nürnberg lehrende Experte Willi A. Kalender zu einem ungewohnt klar formulierten Schluss: "Nach unserer Erfahrung über nunmehr vier Monate Einsatz eines SOMATOM Definition können damit praktisch alle klinischen Fälle erfolgreich erfasst werden".
Mittlerweile sind weltweit fünf solche DSCT-Geräte im klinischen Einsatz. Zusätzlich zu den Geräten an der Universität Erlangen-Nürnberg und dem Klinikum in Großhadern, erfolgten inzwischen Installationen an der Mayo Clinic in Rochester im US-Bundesstaat Minnesota, an der Erasmus University in Rotterdam und am University Hospital in Groningen .
Für Kardiologen ein Gewinn
Wie nachhaltig die neue CT-Generation die Medizin verändern könnte, eruierten Fachleute unlängst auf den 87. Röntgenkongress in Berlin. Die Szenarien sind beachtlich: "Die neue Generation der CT-Scanner könnte Herzkatheter-Untersuchungen zu rein diagnostischen Zwecken bald überflüssig machen. Denn erstmalig werden mit dem Dual-Source-CT (DSCT) auch schnell und unregelmäßig schlagende Herzen präzise dargestellt", hieß es dazu in einer entsprechenden Mitteilung aus Berlin . Sogar gefährliche "Soft"-Plaques seien damit genauer erkennbar als bisher.
"CT-Geräte auf dem aktuellen Stand der Technik sind für die Diagnose von Herzerkrankungen eine Alternative zum Herzkatheter", meinte auch Christoph Becker vom Klinikum der Universität München, und:. "Die CT ist nicht nur deutlich angenehmer für den Patienten. Sie ist auch wesentlich kostengünstiger." Denn ein weiterer Vorteil der CT liege in der schnellen Durchführbarkeit - eine Untersuchung dauert nicht länger als zehn Minuten.
Doch nach Ansicht der Mediziner wird auch die neue CT-Ära Herzkatheter-Untersuchungen nicht überflüssig machen. Bei der Behandlung von Engstellen in Herzkranzgefäßen ist die Methode nach wie vor nicht zu ersetzen. Weil aber rund die Hälfte aller Untersuchungen mit dem Katheter ausschließlich zu diagnostischen Zwecken erfolgen, erschließt sich den neuen CT-Powerpacks ein enormes Potenzial: Jährlich führen Ärzte über 600.000 Herzkatheter-Untersuchungen durch.