In Deutschland erkrankten nach Angaben des Robert Koch-Instituts 2016 mehr als 22.000 Menschen an Keuchhusten – so viel wie noch nie seit Beginn der Meldepflicht im Jahr 2013. Das Nachholen ausstehender Impfungen ist laut RKI dringend nötig.
Erkrankungen an Keuchhusten häufen sich in Deutschland. Seit Jahresbeginn wurden bereits 1.554 neue Keuchhusten-Patienten an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sieht den Grund dafür in Impflücken und kritisiert die Erwachsenenmediziner. „Wir Kinder- und Jugendärzte impfen möglichst auch immer die Angehörigen mit gegen Keuchhusten. Aber mit unserem Engagement erreichen wir nicht alle. Allgemeinärzte und Gynäkologen müssen mehr als bisher darauf achten, dass sie Impflücken schließen,“ so BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach.
Bei Erwachsenen ohne Kinder ist der Anteil an Nichtimpfern laut Fischbach am höchsten: „Nach den jüngsten RKI-Daten für 2014 sind fast 97 Prozent der Kinder in Ostdeutschland und 95 Prozent in Westdeutschland bei der Einschulung gegen Keuchhusten geschützt. Bei den Erwachsenen ist es je nach Lebensalter nur jeder Fünfte bis Zehnte. Bei jungen Eltern hat ein Drittel einen Impfschutz, bei Schwangeren ein Fünftel.“ 94 gemeldete Keuchhusten-Fälle in Kiel zwischen dem 16. November 2015 und dem 13. März 2016 veranlasste das RKI zu einer retrospektiven Kohorenstudie an zwei Schulen und einer Kita. Das Fazit: Es gab eine deutliche Steigerung zu den Jahren davor, in denen „[...] lediglich 12 (2013/2014) bzw. fünf Keuchhusten-Fälle (2014/2015) übermittelt worden waren.“ Die Erkrankung wird nicht ernst genug genommen, kritisiert Fischbach: „Keuchhusten ist also offenbar bei Erwachsenen und auch bei Allgemeinärzten und Gynäkologen noch nicht vollständig im Bewusstsein. Das muss sich dringend ändern, denn Keuchhusten ist alles andere als harmlos. Gerade im ersten Lebensjahr, wenn der Impfschutz noch nicht vollständig ist, kann Keuchhusten eine ernste gesundheitliche Bedrohung für Kinder sein.“
Laut RKI hätte man den Ausbruch eindämmen können: „Ärzte und der öffentliche Gesundheitsdienst sollten gerade auch in Ausbruchssituationen auf die Nachholung ausstehender Impfungen hinwirken.“ Die Auffrischungsimpfung gegen Keuchhusten für Erwachsene wird seit 2009 empfohlen. Sie wird mit der Impfung gegen Tetanus und Diphtherie kombiniert. Weder eine bewältigte Erkrankung noch die Grundimmunisierung im Kindesalter schützt ein Leben lang vor der Erkrankung. Untersuchung eines Keuchhusten-Ausbruchs bei Kindern mit hohen Impfquoten in Kiel © RKI Aus der Kohortenstudie geht eine relative Impfeffektivität von 88 Prozent für die komplette Grundimmunisierung und 74 Prozent für die erste Auffrischimpfung hervor – es gibt also keinen Hinweis auf ein außergewöhnliches Impfversagen. Dennoch: „Trotz der relativ hohen Impfeffektivität ist davon auszugehen, dass auch Geimpfte erkranken können, gerade in Ausbruchssituationen,“ betont der Experte.
Erlischt der Impfschutz, können sich Menschen auch nach überwundener Infektion erneut anstecken. Ist eine junge Mutter beispielsweise nicht geimpft, hat ihr Baby bis zur ersten Immunisierungsmöglichkeit im Alter von zwei Monaten keinen Schutz. Waren teilnehmende Kinder der Kohortenstudie jedoch geimpft, konnte kein schwerwiegender Verlauf der Pertussis-Erkrankung diagnostiziert werden. Impfungen können also dazu beitragen, den Verlauf der Erkrankung abzuschwächen. Problematisch beurteilt das RKI den Fokus von Ärzten auf das Behandeln und Testen von Keuchhusten-Patienten. Das Impfen war eher zweitrangig. Um Infektionsketten zu unterbrechen, ist aber unmittelbares Impfen nach dem Ausbruch einer Pertussis-Erkrankung ratsam.