REM‐Schlafverhaltensstörungen gelten als früher Vorbote von Parkinson. Neurologen gelang es nun, pathologische Eiweißablagerungen als Biomarker zu identifizieren. Mittels minimalinvasiven Hautproben lässt sich die Krankheit so bereits im prodromalen Stadium diagnostizieren.
In Deutschland leben schätzungsweise 220.000 Parkinson-Patienten. Die Erkrankung ist damit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach der Alzheimer-Demenz. Die Diagnose ist vor allem im in der Prodromalphase schwer, denn Parkinson beginnt mit unspezifischen Beschwerden, zum Beispiel Verschlechterung des Geruchssinns, Depressionen oder Verdauungsstörungen. Erst wenn die typischen Bewegungsstörungen einsetzen – das Zittern beginnt und die Bewegungen steif und langsam werden – kann der Arzt darauf schließen, dass sein Patient an Parkinson erkrankt ist.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat aber schon ein jahrelanges Nervenzellsterben stattgefunden, etwa 80 Prozent der dopaminergen Nervenendigungen und bis zu 50 Prozent der Nervenzellen in der Substantia nigra im Gehirn sind dann bereits unwiederbringlich untergegangen. Die Entwicklung wirkungsvoller Therapien wird dadurch erschwert, dass Parkinson-Patienten erst in dieser späten Krankheitsphase erkannt werden. Könnten Mediziner früher eingreifen, wären die Chancen auf die Entwicklung von Therapien sowie auf Behandlungserfolge deutlich höher. Weltweit arbeiten zahlreiche Forschungsgruppen an Wegen, die Parkinson-Krankheit früher zu erkennen. Neurowissenschaftlern um Dr. Kathrin Doppler und Prof. Dr. Claudia Sommer aus Würzburg sowie Prof. Dr. Wolfgang Oertel aus Marburg haben nun eine wegweisende Arbeit publiziert. Sie konnten bei Risikopatienten mit der REM-Schlafverhaltensstörung den Biomarker Alpha-Synuclein in der Haut identifizieren, der Parkinson nachweist, bereits Jahre bevor der Patient sichtbar erkrankt. „Damit sind wir dem großen Ziel, Parkinson in einem frühen Stadium zu erkennen und zu stoppen, einen wichtigen Schritt näher gekommen“, kommentiert Prof. Dr. Günther Deuschl, Parkinson-Experte vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. „Der Weg ist nun offen, auch bei nicht von der REM-Schlafverhaltensstörung Betroffenen einen diagnostischen Marker der Frühphase der Erkrankung zu identifizieren. Damit kommt der Einstieg in die lange erhoffte präsymptomatische Parkinson-Therapie nun in unser Blickfeld.“
„Doppler und Kollegen ist ein sehr bedeutsamer Beitrag zum Stand der internationalen Parkinson-Forschung gelungen“, sagt Prof. Dr. Werner Poewe von der Universitätsklinik für Neurologie an der Medizinischen Universitätsklinik in Innsbruck. „Wichtig ist das Potenzial einer leicht anwendbaren Methode der minimalinvasiven Hautbiopsie, bei der lediglich eine 5 Millimeter große Probe entnommen werden muss. Dies ist von unmittelbarer praktischer Bedeutung, um Patienten für Studien zur Parkinson-Krankheitsprävention identifizieren zu können.“ „Wir kennen Alpha-Synuclein zwar als neuropathologisches Kennzeichen von Morbus Parkinson, und der Nachweis dieser Proteinablagerungen war bereits der Goldstandard der Diagnose“, erklärt Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg und Koautor der Studie. „Allerdings haben wir im Gehirn gesucht, und das war erst nach dem Tod möglich“, so Volkmann weiter. Dass sich Alpha-Synuclein nicht nur im Gehirn ablagert, sondern auch in der Haut, konnten die Würzburger Forscher schon 2014 zeigen. Sie fanden bei rund der Hälfte der untersuchten Parkinson-Patienten pathologische Proteinaggregate in den kleinen Nervenfasern der Haut.
In ihrer jetzigen Studie ging die Arbeitsgruppe einen Schritt weiter: Um herauszufinden, ob Alpha-Synuclein auch in der Prodromalphase als Biomarker herangezogen werden kann, untersuchten sie Patienten mit REM‐Schlafverhaltensstörung (REM sleep behavior disorder, RBD). Die Schlafstörung gilt als charakteristisches Frühsymptom der Parkinson-Krankheit. Sie äußert sich in aggressiven Träumen und auffälligen Bewegungen im Traumschlaf, etwa 85 Prozent der Betroffenen entwickeln innerhalb von 15 bis 20 Jahren eine Parkinson‐Erkrankung. Auch bei REM‐Schlafverhaltensstörung finden sich im Gehirn Ablagerungen von Alpha‐Synuclein. „Unsere Studie liefert Evidenz dafür, dass phosphoryliertes Alpha-Synuclein schon in dermalen Nervenfasern von Patienten vorhanden ist, die an REM-Schlafstörung leiden. Die Ablagerungen können bei diesen Patienten als periphere histopathologische Marker für eine Alpha-Synculeinopathie genutzt werden, die vor dem Einsetzen von motorischen Symptomen bei Morbus Parkinson auftritt“, so Doppler. In Anbetracht des einfachen Zugangs zu Hautbiopsien und der hohen Spezifität der Untersuchung sehen die Autoren in der Methode einiges Potenzial, um Parkinson-Patienten im Prodromalstadium der Erkrankung zu identifizieren und für klinische Studien zum Test von krankheitsmodifizierenden Medikamenten zu gewinnen.
Für ihre Studie rekrutierten die Forscher zwischen Dezember 2014 und Juli 2016 an den neurologischen Universitätskliniken in Würzburg und Marburg 18 Patienten mit REM-Schlafstörungen, 25 Patienten mit frühem Morbus Parkinson und 20 gesunde Kontrollprobanden. Sie entnahmen den Probanden Hautbiopsien (5 mm) am Rücken an den Bereichen C7 und Th 10 sowie am Ober- und Unterschenkel und suchten mittels Doppel-Immunfluoreszenzfärbung in den dermalen Nervenfasern nach Ablagerungen von phosphoryliertem Alpha-Synuclein. Sie bestimmten außerdem mit einer nuklearmedizinischen Untersuchung (FP-CIT-SPECT) die Dichte der präsynaptischen Dopamintransporter, führten olfaktorische Funktionstests durch und kalkulierten den Wahrscheinlichkeitsquotienten für prodromale Parkinson-Symptome. Phosphoryliertes Alpha-Synuclein konnte mit einer Sensitivität von 55,6 Prozent bei 10 von 18 RBD-Patienten nachgewiesen werden. Mit einer Sensitivität von 80 Prozent wurde bei 20 von 25 Patienten mit frühem Morbus Parkinson ein Nachweis für die Alpha-Synuclein-Ablagerungen erbracht. Keine Ablagerungen hingegen fanden sich bei den gesunden Kontrollprobanden. Originalpublikation: Cutaneous neuropathy in Parkinson’s disease: a window into brain pathology Kathrin Doppler et al.; Acta Neuropathologica, doi: 10.1007/s00401-014-1284-0; 2017