Wer in München schwanger wird, hat derzeit gute Chancen, ein Köfferchen mit nach Hause zu bekommen. Innen drin steckt die komplette Ausrüstung für ein Tele-Cardiotokogramm. Wir sagen Ihnen, warum Schwangere mit ihrem Bauch plötzlich online gehen und wie sie das so finden.
Nach Jahren der Studien und der technischen Basteleien findet die Fernüberwachung von chronisch kranken Menschen langsam ihren Weg in den Versorgungsmainstream. Vor allem die Kardiologen machen es vor. Es gibt mittlerweile auch in Deutschland Schwerpunktpraxen, in denen schon heute hunderte Patienten mit Herzschrittmachern beziehungsweise implantierbaren Defibrillatoren per Funk überwacht werden. Und es gibt das Telemonitoring von Herzinsuffizienz-Patienten, an dem sich zunehmend Krankenkassen versuchen, vor allem im Rahmen von Integrationsverträgen.
Einmal CTG-Köfferchen statt zig-mal Kliniktasche
Zwei Triebkräfte hat dieser Trend. Die Krankenkassen beginnen langsam, davon überzeugt zu sein, dass sie zumindest bei der Herzinsuffizienz durch die Fernüberwachung bares Geld sparen können. So hat die Techniker Krankenkasse in einem Pilotprojekt fast die Hälfte der jährlich anfallenden Versorgungskosten eingespart, wenn die Patienten regelmäßig Blutdruck und Körpergewicht übermittelt haben. Die Kaufmännische Krankenkasse kam immerhin auf ein Fünftel, andere Kassen und auch der Verband Elektrotechnik reden von einem Drittel. Die zweite Triebkraft ist der Ärztemangel, der immer mehr hoch spezialisierte Niedergelassene dazu zwingt, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihr Wartezimmer leerer bekommen. Einen ganz anderen Hintergrund hat ein System, das das Münchener Unternehmen Trium derzeit in einer Studie testet, an der das Klinikum rechts der Isar sowie die Krankenhäuser Harlaching und Neuperlach beteiligt sind. Ausgewählte Schwangere übermitteln hier vor allem gegen Ende der Schwangerschaft Cardiotokogramme über einen mobilen Communicator an die Kliniken. Das Ziel: Mehr Komfort für die Mütter. Alle für die Nutzung des CTG mobile genannten Produkts erforderlichen Utensilien passen bequem in ein Köfferchen, das die Schwangeren mit nach Hause bekommen. Dort legen sie sich die Elektroden, die den Herzschlag des Kindes und die Wehentätigkeit gleichzeitig messen, selbst um und versenden das CTG per Knopfdruck.
Ärzte und Hebammen haben ihre Schwangeren unterschätzt
Gedacht ist CTG mobile in erster Linie für Schwangere, bei denen das Kind zum errechneten Geburtstermin noch zögerlich ist. Diese Frauen schleppen sich heute mindestens alle zwei Tage in die Klinik, um nach einem CTG wieder nach Hause zu gehen. Unnötig, meint Trium-Geschäftsführer Dr. Martin Daumer, "diese nervenaufreibenden Fahrten können sie sich auch sparen". Wird ein CTG übermittelt, setzt sich der diensthabende Arzt an seinen Rechner, kontrolliert es und ruft danach die Frau an. Im Normalfall heißt es dann: "Keine Sorge". Erst wenn es wirklich nötig ist, werden die Frauen in die Klinik beordert. Nicht nur bei Übertragung, auch bei Zwillingsschwangerschaften hat CTG mobile schon gute Dienste geleistet. Rekordhalterin ist derzeit eine Mutter, bei der einer der Zwillinge während der Schwangerschaft verstarb. "Die Frau hat zweieinhalb Monate lang jeden Tag ein CTG geschickt", berichtet Daumer. Das habe ihr geholfen, die psychologisch extrem heiklen Monate nach dem Tod des einen Zwillings zu überstehen. Die von Ärzten und Hebammen im Vorfeld befürchteten Schwierigkeiten mit dem Handling der Elektroden traten bei der Studie, an der bisher rund achtzig Frauen teilgenommen haben, nicht auf. Medizin ist eben doch keine Geheimwissenschaft. Im Mittel würden die Mütter CTG-Daten von rund einer halben Stunde Dauer übermitteln, wie die Studienleiter kürzlich auf dem Berliner Perinatalkongress berichteten.
Bald auch Elektroden in der Umstandskleidung?
Die Wurzeln von CTG mobile liegen in der für Ärzte konzipierten Überwachungssoftware CTG online, die Trium gemeinsam mit GE Healthcare weltweit vermarktet. Bei CTG online werden die CTG-Daten digital erhoben und sind für den diensthabenden Oberarzt über ein Webinterface abrufbar. Damit kann ein Dienst auch mal zuhause abgeleistet werden, ohne dass ständig umsonst das Auto aus der Garage geholt werden muss. Über die Schwangerenbetreuung hinaus geht das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt Mobile Medical Monitoring, an dem von wissenschaftlicher Seite das Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie des Klinikums rechts der Isar beteiligt ist. Herzstück von MMM ist ein Shirt, mit dem im Alltag diverse Vitalparameter ermittelt werden können. Ob die beiden Monitoringprodukte vom Hersteller Trium eines Tages zur intelligenten Umstandskleidung verschmolzen werden, ist noch offen....