Dass MRT-Geräte Gedanken sichtbar machen können, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dass sie auch eingesetzt werden können, um Schwindler zu überführen, ist neu. Radiologen haben jetzt den ersten MRT-Lügendetektor entwickelt - zum Entsetzen von Menschenrechtsgruppen.
Wie jeder weiß, der in seiner Kindheit einen Elektrobaukasten hatte, basiert der primitivste aller Lügendetektoren auf einer simplen Messung des elektrischen Hautwiderstands. Sinkt dieser ab, weil die Haut feucht wird, dann sinkt auch der Wahrheitsgehalt der Geschichten, die jene Person von sich gibt, bei der der Apparat angelegt wurde. Moderne Lügendetektoren, Polygraphen genannt, haben dieser sehr eindimensionalen Technik den Rücken gekehrt. Sie beziehen auch andere physiologische Parameter mit ein, darunter Blutdruck, Puls und Respiration. Das Prinzip dieser "psychophysiologischen Untersuchungen", so der politisch korrekte Begriff in Deutschland, ist aber nach wie vor das alte: Wer lügt, so die These, der wird nervös, und das äußert sich vegetativ.
Der forensischen Medizin eröffnen sich neue Möglichkeiten
Nun haben sich Lügendetektoren bekanntlich nie wirklich durchgesetzt. Psychophysiologische Untersuchungen sind Ausnahmen in der Forensik, in Deutschland noch mehr als anderswo. Das liegt unter anderem daran, dass vegetative Parameter anfällig für Fehlinterpretationen sind. Es gibt Menschen, die die Wahrheit sagen und denen dabei trotzdem das Herz in die Hose rutscht. Und es gibt Lügner, die sich so unter Kontrolle haben, dass das vegetative Nervensystem nicht reagiert. Es ist deswegen Zeit für ein System, das einen komplett anderen Weg beschreitet. Eine Gruppe Radiologen aus dem Mutterland des Lügendetektors, aus den USA, hat jetzt einen ersten Schritt unternommen. Die Ärzte nutzten die funktionelle Kernspintomographie, um Lügnern direkt ins Gehirn zu schauen und verglichen sie mit herkömmlichen Lügendetektoren. Sie berichten darüber in der Zeitschrift Radiology.
Das von Michael Williams und seinen Kollegen vom Functional Brain Imaging Center der Temple University in Philadelphia eingesetzte, funktionelle Kernspinprotokoll basiert auf der so genannten BOLD-Technik. BOLD steht für "blood oxygen level-dependet", eine Methode, die die Tatsache ausnutzt, dass deoxygeniertes Hämoglobin paramagnetisch ist und damit als quasi körpereigenes Kontrastmittel fungiert. Im Gehirn ist der Anteil am deoxygenierten Hämoglobin unter anderem abhängig vom Blutfluss und vom Sauerstoffverbrauch der Nervenzellen. Die BOLD-Technik gilt deswegen als probate Methode, wenn Aussagen über die unterschiedliche Aktivität von Hirnregionen getroffen werden sollen. Sie wird in der neuroradiologischen Forschung breit eingesetzt und hat auch schon Eingang in die neurologische, zum Teil auch in die kardiovaskuläre Diagnostik gefunden.
Beim Lügen ist das Hirn stärker gefordert
Für ihre Studie haben Williams und Kollegen die Hirnscans von elf freiwilligen Probanden ausgewertet. Es wurden zwei Gruppen gebildet, denen jeweils eine fiktive Geschichte von einer Schiesserei in einem Krankenhaus erzählt wurde. Im einen Fall schlüpften die Probanden in die Rolle des Täters, im anderen Fall waren sie lediglich unschuldig verdächtig. Die Aufgabe bestand nun darin, standardisierte Fragen zu beantworten, wobei vorgegeben wurde, ob die Antworten falsch oder richtig zu sein hatten. Dazwischen stellten die Untersucher allgemeine Fragen wie: "Ist heute Sonntag?". Auch diese Fragen mussten, je nach Vorgabe, wahrheitsgemäß oder nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden. Jede Fragesession wurde zweimal durchgeführt, einmal mit einem herkömmlichen Lügendetektor und einmal unter MRT-Kontrolle. Letzteres geschah mit Knöpfen, mit denen die Probanden dem Untersucher ihre Antworten übermittelten, während sie selbst in der Röhre lagen und die Fragen per Kopfhörer zugespielt bekamen. Zum Einsatz kam ein herkömmliches 1,5 Tesla-MR-Gerät von Siemens.
Die Resultate der Sessions mit dem vegetativen Lügendetektor offenbarten die Schwächen dieser Strategie. Zwar wurden alle Lügner erkannt. Aber auch 20 bis 40 Prozent der Unschuldigen wurden vom Gerät fälschlich der Lüge bezichtigt. Für die MR lassen sich diese Prozentzahlen noch nicht angeben, da es sich um eine explorative Studie handelte. Die Forscher konnten aber insgesamt 14 Hirnregionen identifizieren, die aktiv waren, während gelogen wurde, unter anderem im Frontallappen, im Temporallappen, im Parietallappen und im Okzipitallappen. Sagten die Probanden die Wahrheit, waren es nur sieben Regionen, in erster Linie frontal und parietal. Die aktiven Regionen überschnitten sich nur teilweise, sodass die Wissenschaftler der Auffassung sind, dass es möglich sein müsste, anhand des neuronalen Aktivitätsmusters Lügner und Nichtlügner sicher zu unterscheiden. Insgesamt interpretieren die Forscher ihre Befunde so, dass Lügen eine weit stärkere emotionale und kognitive Betätigung erfordert, was sich im MR-Bild abbilden lässt. "Wir glauben, dass die Hirnregionen, die beim Lügen aktiv sind, bei jeder Lüge aktiv sind", so die Autoren über ihre Arbeitshypothese. "Wahrscheinlich können Individuen ihre funktionellen MR-Muster nicht aktiv beeinflussen".
Europäische Bürgerkonferenz will den Anfängen wehren
Pünktlich zur Veröffentlichung der amerikanischen Forschungsergebnisse legte auch die erste europäische Bürgerkonferenz zur Hirnforschung, Meeting of Minds, die Ergebnisse ihrer Beratungen vor. Insgesamt 126 zufällig ausgewählte Teilnehmer hatten sich auf Initiative der Europäischen Union im vergangenen Sommer drei Wochenenden lang getroffen und sich in das Thema Hirnforschung eingearbeitet. Am Ende stand ein Bericht mit 36 mittlerweile dem Europaparlament vorgelegte Empfehlungen. Eine lautet, dass bildgebende Verfahren, die die Wirkungsweise des Gehirns sichtbar machen, streng kontrolliert und in einigen Bereichen verboten werden sollten. Unter anderem wird ein Verbot für Polizei, Gerichte und Sicherheitsdienste angeregt.