Auf die Zeit ist stets Verlass, das alte Jahr geht, das neue kommt. Nur selten kann sich die aussterbende Art des deutschen Mediziners jedoch auf zeitgerechte Umsetzung neuer und vor allem besserer Regelungen für den Studien- und Berufsalltag verlassen. 2005 war ein Jahr der Kämpfe, Schulterschlüsse und Debatten, in 2006 wird alles mit Sicherheit noch eine Stufe brisanter, komplizierter und kampflustiger. Medizinstudent.de wagt zum Jahreswechsel eine Rückschau mit Ausblick.
Wer im letzten Jahr an deutschen Universitäten Medizin studiert hat, hatte eine Menge verwirrenden Spaß. Die Umsetzung der 9. Novelle der Approbationsordnung hat hart im Studienalltag eingeschlagen. Was früher "Spezielle Pathologie" hieß, heißt fortan "Klinisch-pathologische Konferenz", wer sich früher als erfolgreicher Teilnehmer des Biomathe-Kurses wähnen durfte wird jetzt ausgebildet in den Grundlagen von "Epidemiologie, Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik". Außer den längeren und hübsch-komplizierten Namen der Lehrveranstaltungen hat sich aber leider wenig getan. Der Unterricht, die Prüfungen und die Lehrformen haben sich lediglich neu eingekleidet um sich vor der Nase des Studenten in alter Hässlichkeit zu entblößen.
Her mit der Kohle, du Student!
Während also die Lehrenden versuchen, die schöne neue Verpackung sinnvoll auszufüllen, machte man sich an anderer Stelle scheinbar Sorgen um die große Frage nach dem Geld. Da eine Hochschulausbildung auch Geld kostet (Welch große Einsicht!), sollen nach dem Wunsch vieler Landesväter und ihrer Regierungen auch die Studenten zur Kasse gebeten werden. Modelle sind bereits in der Schublade, Beträge von 500 Euro pro Semester in aller Munde und auch die Konten, auf die der gehorsame Student die Gebühren überweisen soll, sind mit Sicherheit schon eingerichtet. Dumm nur, dass niemand so recht sagen kann oder will, wofür die Studiengebühren eingesetzt werden sollen. "Zweckgebunden" oder "zur Verbesserung der Studienbedingungen" waren und sind die standardisierten Statements der großen Denker und Lenker. Wie auch immer, mit Sicherheit kellnern viele Medizinstudenten schon jetzt Extraschichten und hoffen auf 5 Euro Trinkgeld vom soeben bedienten jungen, aufstrebenden BWL-Bachelor-Absolventen.
Der Bachelor - aus dem RTL-Studio in das Krankenhaus
Der Bachelor war in 2005 für viele Fans der europaweiten Regulierung und Vereinheitlichung ein Big Deal. Es handelt sich dabei nicht um den hübschen und reichen Jüngling, der sich unter den Augen der Fernsehbevölkerung eine holde Maid aus einem Dutzend Anwärterinnen aussucht, sondern um eine Abstufung der Studienabschlüsse - erst der arbeitsfähige Bachelor und für den Interessierten im Anschluss die Möglichkeit des akademischen Master-Abschlusses. Was für viele Studiengänge sehr sinnvoll ist, wurde unter anderem auch für die Medizin angedacht - und prallte in der Ärzteschaft auf Ablehnung durch und durch.
Ein Bachelor in der Medizin wäre demnach ein Arzt fürs Grobe, den man nach drei Jahren niedriger als niedrig bezahlt auf den Patienten loslässt. Schade nur, dass bereits jetzt über 6 Jahre akademisch und praktisch ausgebildete Ärzte zu Schlussverkaufsgehältern in den Krankenhäusern arbeiten.
Doctores schreiend auf der Straße!
Gegen die Dumping-Gehälter für Klinikärzte regte sich 2005 organisierter Widerstand. Marburger Bund und Co. etablierten aktive Mittagspausen, Warnstreiks und Protestkundgebungen, die in der ausgebeuteten Ärzteschaft auf große Unterstützung stießen. Ein erster Großstreik am Jahresende wurde durch das fast schon karnevalistisch anmutende Urteil eines Kölner Gerichtes in letzter Sekunde verhindert. Logisch, dass sich die Ärzteverbände jetzt erst recht nicht beugen wollen und bis ins Letzte entschlossen sind, das Jahr 2006 zum Kampfjahr ausrufen. Passend zum Schulterschluss der Ärzte haben auch zwei wichtige Studentenorgansiationen für Mediziner ihren Zusammenschluss vollzogen. Aus dem DFA und der Fachtagung Medizin wurde die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD). Eine Unterstützung der Ärztestreiks durch jetzige Studenten und baldige Assistenzärzte ist daher nicht nur wahrscheinlich, sie könnte diesmal sogar mitentscheidend sein.
Das Examen mit dem Hammer kommt!
Auf jeden Fall entscheidend ist für den Medizinstudenten der Ausgang des Examens. Für Studenten, die ihr Examen zum Herbst 2006 ablegen wollen, präsentiert das IMPP im Sinne der neuen Approbationsordnung ein neues Examen mit allem, was Spaß macht. Mehr Fallbeispiele, keine Fächertrennung und mehr Zeit für weniger Fragen. Das Warten und Lernen für das neue Examen, dessen Zusammenstellung noch niemand wirklich voraussagen kann, hat also beste Aussichten, noch spannender zu werden als die WM 2006.
Schon vor der WM im Frühjahr steht das letzte Mal altes Physikum und parallel das neue Physikum vor der Tür. Alle, die nach neuem Recht geprüft werden, sollen dann auch Fragen mit klinischem Bezug beantworten dürfen. Da bleibt jetzt schon fast nur zu sagen: "Viel Glück, Ausdauer und Erfolg euch allen!".
Fazit - Weniger Schein, eine Prise mehr Sein - und alles wird fein :)
Wer als Medizinstudent Humor hat, wird mit Sicherheit auch im neuen Jahr sein Lächeln wahren können. Gemeinsames Ziel aller Beteiligten sollte sein, die erforderlichen Neuerungen in Studium und Praxis endlich sinnvoll umzusetzen, um Ärzten und Studenten weniger unnötige Sorgen zu bereiten und mehr Perspektive zu geben. Die Hoffnung auf bessere Zeiten stirbt erst dann, wenn der Letzte aufgibt - oder dann, wenn keiner mehr ein Lächeln auf seine Lippen zaubern kann. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein frohes 2006.