In Sommernächten kann man sie sehen: kleine, grüne Flimmerpunkte in der Luft, die sich als männliche Glühwürmchen auf der Suche nach paarungswilligen Weibchen entpuppen. Da die Umworbenen nicht fliegen können, erklettern sie Grashalme, krümmen ihr luminesziertes Hinterteil nach oben und machen so auf sich aufmerksam. Was das Glühwürmchen-"Heck" zum Flimmern bringt, soll in Zukunft den Doping-Test perfektionieren.
Die Zahl der Doping-Skandale reisst nicht ab und erschüttert jedes Mal aufs Heftigste die Sportligisten. Der prominenteste Fall des letzten Jahres deckt vor allem auch das Dilemma der Kontroll-Instanzen auf. Ein französiches Anti-Doping-Labor hatte Nachuntersuchungen an eingefrorenen Urinproben von Radrennfahrern der Tour-de-France aus 1998 und 1999 vorgenommen. Dabei war in 12 Analysen das Blutdopingmittel Erythropoietin (Epo) nachgewiesen worden, u.a. beim siebenmaligen Sieger der Tour, Lance Armstrong. Ende der Neunziger wäre der gleiche Test nicht möglich gewesen, da die Substanz noch unbekannt war. Obwohl Doping gefährlich sein kann, wie der Tod des Radrennfahrers Tom Simpson als Extrem zeigte, ist die Verführung groß. Offensichtlich ist den Profisportlern das Siegerpodest mehr wert als Gesundheit und Moral. Erwischt werden die wenigsten, so die Vermutung von Insidern.
Luzifer schaltet bei Doping auf grün
Die Liste der Dopingmittel ist lang. Sie liest sich wie ein Cocktail aus biologischen und chemischen Smarties. Die einzelnen Substanzen unterscheiden sich darin, wie lange sie im Blut oder Urin nachgewiesen werden können. Ebenfalls unterschiedlich sind die Verfahren, mit denen der Nachweis erbracht werden kann. Und dies muß auch noch rechtlichen Vorschriften genüge tun. Hinzu kommen chemisch manipulierte Substanzen bzw. ganz neue, deren Wirkung bisher unbekannt ist. Fazit: Die Kontrollinstanzen wie die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und die nationalen, wie die NADA, sind selbst bei bestem Willen überfordert. Abhilfe könnten biologische Testmethoden schaffen, wie beispielsweise der SteroCheck, der an der Uni Bonn entwickelt wurde. Er funktioniert wie beim Glühwürmchen, dessen Hinterteil mit einem Enzym, der Luziferase, zum Scheinwerfer wird. Auf den SteroCheck angewendet, heißt das, Dopingsünder können mit grün lumineszierenden Urin-Proben überführt werden. Das Leuchten besorgen im Labor gezüchtete Zellen mit zwei verschiedenen Erbmolekülen, u.a. einem Eiweiß, das dem Bauplan der Glühwürmchen entspricht.
Anabolika für Muskelpakete im Partypack
Das SteroCheck-System hat einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber bisherigen Methoden: Der Test schlägt auch dann an, wenn brandneue Hormon-Substanzen im Spiel sind. Möglich ist das, weil statt der Menge der gesuchten Stoffe die hormonelle Gesamtwirkung gemessen wird. Detektiert werden von SteroCheck natürliche und künstliche Steroidhormone, wie beispielsweise das Androgen Testosteron oder Anabolika wie Stanozolol und Nandrolon, die es auch schon im Partypack zu kaufen gibt. Steroidhormone sind beliebte Drogen bei Sportlern oder Bodybuildern, weil sie Muskelzellen wachsen lassen können.
Hormontherapie entpuppt sich als Detektor
Leider sind mit dem Glühwürmchentest nicht alle bisher bekannten Doping-Substanzen zu erfassen. Beispielsweise Narkotika, Cannabis oder Peptide können mit SteroCheck nicht detektiert werden. Immerhin können die Gebräuchlichsten der verbotenen Stoffe zum Leuchten gebracht werden, laut WADA-Tabelle sind dies annähernd sechzig Prozent. Das Verfahren wurde von Dr. Sabine Daufeldt und ihrem Kollegen Dr. Axel Alléra, Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Uni Bonn, ursprünglich zur Bestimmung der Hormonaktivität bei Frauen entwickelt. U.a. geht es darum, eine Hormonersatztherapie präzise auf den von Frau zu Frau unterschiedlichen Bedarf einzustellen. Dafür wurde "eine SteroCheck-Variante entwickelt, mit der wir die östrogene Gesamtaktivität bestimmen können...wir verwenden dazu Zelllinien aus der weiblichen Brust", so Sabine Daufeldt. Vorstellbar aus ihrer Sicht ist, dass mit SteroCheck auch die "Wechseljahre des Mannes" durch Hormongaben in den Griff zu bekommen sind.