Kummer, Gram und Leid machen egoistisch, unbeweglich und krank. Glückliche Menschen dagegen sind gesund, erfolgreich, kreativ und sozial engagiert, das behaupten (Glücks-)Forscher. Immerhin. Sie haben es geschafft, dass neuerdings auch Psychologen und Neurologen das Glück salonfähig machen.
Das Glück als neue Wissenschaft? Puristen unter den Gründern der Royal Institution of Great Britain würden sich in ihrem Grab umdrehen, berichtete die Sunday Times. Anlass war ein Event in Londons altehrwürdigem Tempel der Wissenschaft zum Thema: "Happiness, the science behind your smile". Wen verwundert die kritische Haltung? Schließlich wird Glück nicht nur in intellektuellen Kreisen als trivial, bürgerlich oder spießig abgetan. Und mindestens seit der "Milch von glücklichen Kühen" wissen wir, dass auch Wiederkäuen positiv stimmt!
Trendwende für Glücksforscher
Untermauert wird die kritische Einstellung durch philosophische Anschauungen, die dem Glücksgefühl einen negativen Stempel aufgedrückt haben. Psychologen, wie etwa zu Zeiten Sigmund Freuds, betrachteten das Glück als trügerischen Schmetterling. Die Zeiten haben sich geändert. Glück hat heute Hochkonjunktur. Da gibt es einerseits die Glücksforscher, die vor allem die Medien und Verlage beglücken. Andererseits gibt es aber auch eine zunehmende Zahl von ernst zu nehmenden Wissenschaftlern der Soziologie, Psychologie, Neurologie und Biochemie, die sich dem Zusammenhang von Gesundheit und Glück widmen. Nicht umsonst haben dabei die amerikanischen Forscher wieder einmal die Nase vorn. Schließlich ist das Pursuit of Happiness Bestandteil ihrer Unabhängigkeitserklärung.
Biologische Nähe von Glück und Sucht
Auf der Suche nach besseren Therapien und Medikamenten zur Behandlung psychisch Kranker konzentrieren sich Neurowissenschaftler bisher im wesentlichen darauf, Erklärungen für Angstgefühle, Hilflosigkeit oder Phobien zu finden. Auch der berühmte Nobelpreisträger Eric Kandel hat seine Studien mit Mäusen auf die Eliminierung von Angststörungen ausgerichtet. In einer der letzten Veröffentlichungen wies er nach, dass mit dem Ausschalten eines einzigen Gens aus einer ängstlichen eine kühne Maus werden kann. Auf einem Symposium am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Ende letzten Jahres, berichtet Eric Kandel erstmals von Tierversuchen, die die Identifizierung von Glücksgenen zum Inhalt haben. Seine These ist, dass für bestimmte Krankheiten wie Anhedonie der Weg über das Glück zu neuen Ansatzpunkten für Antidepressiva führen könne. Allerdings bewegt er sich hier auf dünnem Eis. Denn der Teil des Gehirns - das Striatum -, in dem Freude verarbeitet wird, aktiviert gleichzeitig die Signale, die von Suchtdrogen wie Kokain ausgelöst werden.
Learned Happiness by Seligman
Wenn auch die Gene noch nicht eindeutig identifiziert sind, so ist inzwischen doch sicher, dass es einen biologischen Schlüssel für das Glück gibt. Auch Martin Seligman, hochdekorierter Professor für Psychologie, machte das Glück zum Thema seiner wissenschaftlichen Studien. Er hatte sich in der Vergangenheit bereits einen Namen gemacht mit seiner Entdeckung der "learned helplessness", die die Therapie von Depressionen in der Verhaltenspsychologie maßgeblich beeinflußte. Seine spätere Theorie der "positiven Psychologie" krempelt die Lehre von Freud komplett um. Die Bewältigung von negativen Kindheitserinnerungen haben laut Studien von Martin Seligmann keine nachweislichen Effekte bei der Behandlung von Erwachsenen. Seine Therapie zielt darauf ab, positive Gefühle zu verstärken und negative abzubauen. Überzeugt davon, dass Glück trainierbar ("learned happiness") sei, entwickelte er ein Programm der Reflective Happiness, an dem jeder im Internet für pro Monat teilnehmen kann. Das Interesse hält sich bisher in Grenzen.
Konjunkturprogramm als Glücklichmacher
Seit Gehirnforscher mit modernen Methoden das Glück messen können, überdenken auch Soziologen und Ökonomen ihre Definitionen von Wohlbefinden bzw. Lebensqualität. Wertvolle Anhaltspunkte liefert die "World Database of Happiness", die von Ruut Veenhoven an der Universität Rotterdam jährlich aktualisiert wird. Demnach leben in Dänemark die glücklichsten Menschen. Die Gründe liegen, so der Brite und Ökonom Richard Layard, in den geringen sozialen Unterschieden. Der Zürcher Volkswirt, Professor Bruno Frey fand heraus, dass Demokratie glücklich macht. Der Berliner Ökonom Gert Wagner,der regelmäßig die Zufriedenheit der Deutschen erhebt, empfiehlt Politikern ein Konjunkturprogramm, das Empfängern von Arbeitslosengeld II hilft, schneller an Jobs zu kommen. Denn Langzeitarbeitslosigkeit wirke sich auf Menschen verheerend aus, während eine Arbeitsstelle das Glücksempfinden steigere.