Der Bundesrat hat zum 25. November einen für die Ärzteschaft kritischen Beschluss gefasst. Im Bundestag soll ein Gesetzesentwurf eingebracht werden, um die geltende Ausnahmeregelung für die Tarifverträge bis Ende 2006 zu verlängern. Im Klartext bedeutet das: Mit "Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit" wäre Schluss bevor es losgeht.
Der Bundestag begründet seinen Beschluss damit, dass die Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes für etwa ein Drittel der Ärzte noch nicht ausgehandelt sei. Damit werden im Grunde alle die belohnt, die darauf gesetzt haben, die Probleme auszusitzen. "Was du heute kannst verschieben, das lass immer möglichst lange liegen", hieße also das neu zu prägende alte Sprichwort.
Ärzteverbände gehen auf die Barrikaden
Die Reaktionen der Ärztevertreter ließen nach dem Beschluss nicht lange auf sich warten. Der Präsident der Ärztekammer und der Vorsitzende des Marburger Bundes missbilligten die Entscheidung mit deutlichen Worten.
Gemeinsamer Tenor ist, dass eine Hinhaltetaktik dem Patienten und dem Arzt zugleich schadet. Deutschlands Klinikärzte sind immer weniger dazu bereit und oft auch kaum noch in der Lage, sich ausbeuten zu lassen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass die hadernde und unehrliche Taktik von Politik und Arbeitgebern immer mehr Medizinstudenten davon abschreckt, als Assistenzarzt zu arbeiten. Es bestehen also beste Aussichten, den bestehenden Ärztemangel weiter zu verschärfen.
Der Marburger Bund lässt nun auch Taten auf Worte folgen und bat seine Mitglieder zur Urabstimmung. Sollte der Bundestag dem Beschluss des Bundesrats Folge leisten, sind massive Proteste der Ärzte kaum abzuwenden.
Charité gibt einen Vorgeschmack
Einen kleinen Vorgeschmack auf die drohende Streik- und Protestwelle gab es in Berlin. In der Woche ab dem 28. November setzten die Klinikärzte der Charité in Berlin die Arbeit aus. Hintergrund sind regionale Missstände bezüglich der Tarifvereinbarungen und die geltende Praxis der kurzzeitigen Knebelverträge. Die Ärzte der Charité arbeiteten in der Streikphase jeden Tag wie sonntags.
Notfälle wurden weiter behandelt, akut notwendige Prozeduren aufrechterhalten. Die Grundversorgung war damit sichergestellt, der beste Beweis dafür also, dass Ärzte nicht unnötiges Leiden verantworten wollen. Ärztestreiks sind immer ein Mittel der Verzweiflung, sind aber zugleich das einzige wirksame Instrument um auf die ständig andauernde und fleißig unterhaltene Ausbeutungsmoral hinzuweisen.
Bleibt zu hoffen, dass durch einen Rückschritt der Politik die ohnehin schon vorhandene Signalwirkung der Berliner Aktion nicht zum bundesweiten Lauffeuer wird. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, auch wenn es fast so scheint, dass viele Klinikärzte ihre Hoffnungen schon lange begraben haben.