Internetseiten über Arzneimittel sind en vogue: Nach dem misslungenen AmFo von Kassenärzten und Krankenkassen steigen jetzt die Apotheker in den Ring. Eine interaktive Arzneimitteldatenbank kombiniert Gesundheitsinformation mit Pillenfakten und Multimedia. Das Portal kann in Teilen überzeugen. Raum für den großen Wurf aber bleibt noch immer.
Ein transparentes Portal mit unabhängigen Informationen über Arzneimittel und andere medizinische Therapien gehört zu den zentralen Forderungen vieler Verbraucherschützer und Patientenverbände. Das deutsche Gesundheitswesen hat dergleichen derzeit nicht zu bieten. Kassenärzte und Krankenkassen haben kürzlich mit AmFo einen entsprechenden Versuch unternommen und sind, bisher jedenfalls, gescheitert.
Klick mir auf den Bauch und ich sage dir, was du suchst
Die Bundesvereinigung Deutscher ApothekerverbDie Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, ABDA, steigt jetzt mit einem eigenen Portal in den Ring, der interaktiven Arzneimitteldatenbank. Sie wurde nicht alleine, sondern in Zusammenarbeit mit der ZDF-Tochter ZDF.Newmedia, dem Medienproduzenten medi cine, der ABDATA-Pharma-Datenservice und dem Deutschen Gesundheitsnetz DGN entwickelt. Die Liste lässt bereits ahnen, dass hier etwas mehr Geld investiert wurde und etwas mehr Medienexpertise gesucht wurde als bei AmFo. Die Datenbank ist formal zweigeteilt in einen interaktiven Teil, der von den Beschwerden des Patienten ausgeht, sowie in eine Pharmadatenbank, in der nach Substanzen und Präparaten gesucht werden kann. Vor allem das interaktive Modul kann überzeugen: Ausgehend von zwei rotierenden Körpern, einem Mann und einer Frau, klickt sich der Surfer zu seiner Krankheit beziehungsweise seinem Beschwerdebild durch einfach und nachvollziehbar. Wer auf den Bauch klickt, bekommt unter anderem Gallensteine angeboten. Wer die anwählt, landet bei Beschwerden, Ursachen, Ärztlicher Diagnose und Behandlung. Die Informationen sind kurz und aussagekräftig. Sie werden begleitet von Filmmaterial aus ZDF-Quellen und Bildstrecken, die zum Beispiel die Gelenkverhältnisse beim Bänderriss illustrieren. Derzeit sind 34 Gesundheitsbeschwerden von Aphthen bis Verstopfung online. Bis Ende des Jahres sollen es einhundert sein. Wer einwendet, Diagnosen und Therapien seien eigentlich die Domäne der Ärzteschaft, der hat Recht. Andererseits: Wenn es die Apotheker gut machen, warum nicht?
Arzneimittel: Außer Listen nichts gewesen
Weniger gelungen ist leider der Teil, der der interaktiven Arzneimitteldatenbank ihren Namen gab, nämlich eben die Arzneimitteldatenbank. Ein kleineres, formales Problem gibt es durch die Seitengestaltung: Interaktives Modul und Pharma-Info-Modul stehen auf der Webseite direkt nebeneinander. Wie sie sich zueinander verhalten, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Der direkte Link aus den Behandlungssektionen in die Pharmadatenbank fehlt. Viel problematischer als dieses formale Manko ist eine massive inhaltliche Schwachstelle: Die einzelnen Präparate werden nicht nach ihrer Relevanz gewichtet, sondern einfach unkommentiert aufgelistet. Das ergibt beim Schnupfen eine zehnseitige Liste mit jeweils zehn Einträgen, alphabetisch sortiert nach Präparatenamen. Das hilft nun wirklich niemandem, es sei denn, er hat schon ein Präparat in der Hand. Hier müsste genau das geleistet werden, wovor sich auch das KBV-/Kassen-Portal AmFo drückt: Es müsste aufgegliedert werden nach Art der Therapie, beim Schnupfen also Kochsalzinhalationen, kochsalzhaltige Nasentropfen, abschwellende Nasentropfen und so weiter. Dann bräuchte es für jede Rubrik eine Gewichtung, die dem Nutzer ohne medizinische Fachkenntnisse klar macht, was er von der jeweiligen Maßnahme erwarten kann. Kurz: Die Evidenz muss auf den Tisch. Würde das geleistet, dann wäre auch eine Vorsichtsmaßnahme unnötig, die die ABDA für ihre Datenbank ergriffen hat, nämlich den kompletten Ausschluss homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel. Wenn es keine Evidenz gibt, dann kann das entsprechend dokumentiert werden.
Weiter Warten auf den großen Wurf
Das Fazit der ABDA-Bemühungen fällt also zweischneidig aus. Die interaktive Arzneimitteldatenbank macht einiges richtig. Es wurde erkannt, dass Information in eine auf den angepeilten Nutzer zugeschnittene Form gebracht werden muss. Es wurden die Beschwerden in den Vordergrund gerückt. Und es wurde nicht nur auf Text gesetzt. Was versäumt wird, ist eine Positionierung zur Therapie beziehungsweise zu unterschiedlichen Therapiemaßnahmen und damit das, was den durchschnittlichen Nutzer wahrscheinlich am meisten interessiert hätte. Dass dergleichen nicht von Apothekern alleine gestemmt werden kann, ist klar. Ohne die Ärzteschaft ist in diesem Punkt kein Staat zu machen, denn die Gewichtung muss von dieser Seite her kommen. Die nötigen Informationen sind für viele Indikationen vorhanden. Die medizinischen Fachgesellschaften können sie zur Verfügung stellen, beziehungsweise haben es in Form von S3-Leitlinien bei der AWMF schon getan. Es ist nicht nötig, auf das IQWIG zu warten, um sich hinter ihm zu verstecken. Der Mut ist es, der fehlt.