Das war einmal. Einer neuen Studie zufolge würde jeder Fünfte Apotheker seinen Laden abstoßen, wenn er könnte. Erwartet wird in der Branche außerdem ein Apothekensterben von erheblichem Ausmaß. Der Verband hälts für Panikmache. Wer hat Recht?
Gute Laune, breiter Frust oder pragmatisches sich Arrangieren mit den politischen Realitäten? Über die Stimmung in der deutschen Apothekerschaft ist notorisch wenig bekannt. Apotheker gelten als öffentlichkeitsscheu. Genauer gesagt haben sie ihre Öffentlichkeitsarbeit weitgehend an den vielleicht professionellsten aller Bundesverbände im Gesundheitswesen delegiert, an die ABDA. Erst die Versandapotheken versuchten sich mit einer Art Gegenöffentlichkeit, ein eigener Verband, dessen Mitgliederzahl aber eher kümmerlich ist. Direkte Befragungen der Apotheker sind selten.
Barkarole vom Apothekenabschied
Die Bad Homburger Unternehmensberatung Sempora hat sich jetzt in einer käuflich erwerbbaren Untersuchung den Apothekenmarkt aufs Korn genommen. Was erwarten sich Apotheker von den nächsten Jahren? Wie stehen sie zu Apothekenketten, Marketinggemeinschaften, Hausapothekenmodellen und anderen neumodischen Dingen? Und was würden sie tun, wenn man sie nur ließe? Befragt wurden über 4000 Apotheken, von denen 174 antworteten, außerdem 62 Pharmahersteller, 36 Versandapotheken, 18 Krankenkassen und 168 Verbraucher. Angesichts des relativ hohen Anteils von Versandapotheken ist das Ganze wohl nicht bundesweit repräsentativ. Interessant ist es trotzdem. Die Marktteilnehmer in ihrer Gesamtheit erwarten, dass Versandapotheken weiter an Bedeutung gewinnen werden. Wenig erstaunlich ist, dass diese Position in weit stärkerem Masse von Versandapotheken und Pharmaunternehmen vertreten wird als von Offizinapotheken und Krankenkassen. Unter den Versandapotheken hat nur DocMorris einen gewissen Bekanntheitsgrad bei den Verbrauchern: 18 Prozent gaben bei der ungestützten Frage nach Versandapotheken diesen Namen an. Im Umkehrschluss heißt das, dass 82 Prozent nichts damit anfangen können. Die erregten Debatten der Vergangenheit lässt diese Zahl im Rückblick etwas übertrieben erscheinen. Relevanter, weil konkreter, ist die Frage zum Thema Apothekensterben. Durch die Bank wird erwartet, dass die Zahl der Apotheken in den nächsten Jahren abnimmt. Diese Skepsis steht im Kontrast zu der Tatsache, dass die Zahl der Apotheken trotz Gesundheitsreform im vergangenen Jahr um fast 100 auf derzeit knapp 21.400 zugelegt hat. Dennoch erwarten Apotheker, Versandapotheker und Pharmaindustrie in nur gering divergierendem Ausmaß den Untergang von rund 4000 Apotheken in den nächsten fünf Jahren. Lediglich die Kassen tanzen aus der Reihe. Ein Fünfjahresminus von knapp zehn Prozent wird gesehen. Bemerkenswert ist, dass 54 Prozent der befragten Verbraucher die Zahl der Apotheken in Deutschland als zu hoch empfinden.
Fremdbesitz: Interessenten würden Käufer finden
In Zeiten, in denen die lange bestehenden Einschränkungen beim Mehrbesitz aufgeweicht wurden und werden und in denen allgemein erwartet wird, dass auch das Fremdbesitzverbot irgendwann fällt, sind Fragen zu diesen Themenkomplexen natürlich spannend. Immerhin 81 Prozent der Mehrbesitzer geben an, dass sie dadurch Einkaufsvorteile realisieren können. Mehrbesitz, so scheint es, kann eine wirksame Strategie sein, um die Kosten pro Apotheke zu senken. Ein hypothetischer Fremdbesitzer der Zukunft, zum Beispiel eine Drogeriekette oder ein Einzelhandelskonzern, hätte wohl keine größeren Probleme, Apotheker zu finden, die ihre Apotheke verkaufen würden, wie Arnt Tobias Brodtkorb von Sempora im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter ausführte: 19 Prozent der Apotheker gaben an, dass sie ihre Apotheke an einen Fremdbesitzer verkaufen würden. Immerhin 17 Prozent können sich vorstellen, in einem Franchise-Modell zu arbeiten. Doch nicht nur Resignation, auch unternehmerisches Engagement findet sich reichlich in Deutschlands Apothekenlandschaft: Immerhin 28 Prozent können sich vorstellen, zusammen mit anderen Apothekern eine eigene Apothekenkette aufzuziehen. Knapp die Hälfte will unabhängig bleiben.
Kooperationen haben ein Wahrnehmungsproblem
Ein bereits heute gangbarer Weg ist die Teilnahme an Apothekenkooperationen, die Einkaufsvorteile bieten und mit einem gemeinsamen Marketingkonzept punkten wollen. Wie der Verbraucherarm der Studie zeigt, haben diese Zusammenschlüsse ein massives Problem: Niemand kennt sie. Namen wie Linda, Vivesco oder Gesund ist bunt sind auf der Straße praktisch unbekannt. Lediglich zwei Prozent der Befragten konnten diese oder ähnliche Namen nennen. Ebenfalls vergleichsweise unbekannt ist das Barmer Hausapothekenmodell, an dem satte 88 Prozent der befragten Apotheker teilnehmen. Der von Sempora in diesem Zusammenhang gebrachte Hinweis, dass dadurch der Wettbewerbsvorteil für die einzelne Apotheke verpuffe, ist allerdings etwas fehl am Platze. Denn der Barmer-Vertrag ist eben nicht primär ein Marketinginstrument.
ABDA: Alles unrealistisch
Nicht besonders glücklich mit der ganzen Untersuchung ist die organisierte Apothekerschaft. ABDA-Sprecherin Dr. Ursula Sellerberg hielt ein Apothekensterben im genannten Umfang im Gespräch mit DocCheck für wenig realistisch. Zwar sei die Situation für die Apotheker durch die Gesundheitsreform schlechter geworden. Doch sei dieser Effekt längst im Markt angekommen. Die Apotheken haben bei der Arbeitszeit gespart und so viel von den Sparzwängen aufgefangen, so Sellerberg. Dafür, dass die Apothekendichte abfalle, gebe es derzeit keinen Anhalt, weder in ländlichen Regionen noch in der Stadt.