Mehr als 1.000 Ermittlungsverfahren wegen Rezeptbetrugs im Saarland, Abrechnungsbetrügereien in Baden-Württemberg - das Thema "Korruption im Gesundheitswesen" bleibt ein Dauerbrenner. Ulla Schmidt rief Ärzte und Krankenkassen bereits im Zuge der Gesundheitsreform zu mehr Engagement auf - und verpflichtete sie, so genannte "Korruptionsbekämpfungsstellen" einzurichten. DocCheck hat mit ihnen gesprochen.
An die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, so ließ die Ministerin in § 81a SGB V festschreiben, solle sich jede Person wenden können, die Schwindeleien zu beobachten glaubt; seien es Patienten, Ärzte, Mitarbeiter von Kassen oder Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Hinweisen dieser Personen sollten die Stellen nachgehen. Bestätigt sich der Betrugsverdacht, muss die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden. Damit kein Mitarbeiter der 81er sagen kann, ihm sei einfach kein Abrechnungsbetrüger begegnet, ist außerdem alle zwei Jahre vor der zuständigen Aufsichtsbehörde über den Stand der Korruptionsbekämpfung zu berichten.
Kassen auf Systematisierungskurs
Auf Seiten der Krankenkassen blieben Proteste an der Neuregelung weitgehend aus. Zwar verfügten die Spitzenverbände bereits über eine Arbeitsgemeinschaft (AG) Abrechnungsmanipulation. Innerhalb der Kassen, so auch bei der AOK, habe man jedoch trotzdem personell aufgestockt, sagt Dr. Michael Jeschke, Mitglied der AG. Durch das Gesetz sei der Stellenwert der Fehlverhaltensbekämpfung ein ganz anderer geworden, vieles laufe systematisierter ab, weiß auch Frank Meinert, Sprecher der DAK. Beide müssen jedoch eingestehen, dass viele der geäußerten Verdachtsfälle sich bei näherer Prüfung als unberechtigt herausstellen.
Gebeugte KVen
Von Seiten der Ärzte war man da schon kritischer. Schließlich sei nicht einzusehen, sagte der ehemalige Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Manfred Richter-Reichhelm, warum ausgerechnet Ärzte eine Korruptionsbekämpfungsstelle einrichten sollten. Damit werde der Eindruck geweckt, Betrügereien seien bei diesem Berufsstand an der Tagesordnung und Ärzte müssten kontrolliert werden. Trotz anfänglicher Kritik die KVen beugten sich dem Gesetz. An der Spitze der möglichen Lösungen für eine Korruptionsstelle glaubt sich unter den 16 Kassenärztlichen Vereinigungen die KV Bayerns (KVB): hier hat man gleich vier Personen auf die 81er-Stelle gesetzt, alle verfügen über unterschiedliche Qualifikationen. Während ein KV externer Jurist sich um rechtliches kümmert, verfügen zwei weitere Korruptionsbeauftragte über hausärztliches und fachärztliches Wissen. Die vierte Person kommt aus der Verwaltung der KVB und kennt sich mit administrativen Dingen aus. Bislang, so Vorstandsmitglied Rudolf Bittner, habe die Arbeit gut funktioniert, weil bei weitreichenden Entscheidungen vielfacher Sachverstand benötigt worden sei. Nun sei man auf dem Weg, für Klarheit zu sorgen und gegen ungerechtfertigte Pauschalverurteilungen von Ärzten und Psychotherapeuten vorzugehen, unterstreicht Bittner.
KV Saarlands greift durch
Besonders engagiert hat sich aus aktuellem Anlass die KV des Saarlands. Die Affäre um Rezeptbetrug mehrerer saarländischer Ärzte und Apotheker rüttelte den KV Vorstand wach. Hatte Dr. Gunter Hauptmann bis Anfang dieses Jahres noch keine Stelle eingerichtet, so tat er es nach den zahlreichen Vorwürfen, die die KV über sich ergehen lassen musste. Nach dem Motto Jetzt geht es allen an den Kragen machte Hauptmann seinen Vorgänger zum 81er-Mann und trommelte gleichzeitig alle saarländischen Krankenkassen zusammen. Gemeinsam mit den Kassen haben wir eine Arbeitsgruppe Abrechnungsbetrug gegründet, damit wir in Zukunft besser kooperieren können, erzählt der KV-Vorsitzende. Ein Runder Tisch aus Ärzten, Apothekern, Krankenkassen, KV und Staatsanwaltschaft führte außerdem dazu, dass sich mittlerweile alle untereinander kennen und die Ermittlungen künftig schneller verlaufen. Gerade heute hat die Staatsanwaltschaft wieder einen Betrüger festgenommen, freut sich Hauptmann. Bei soviel Eifer möchte man fast "Waidmannsheil!" rufen.