Was halten die Akteure des deutschen Gesundheitswesens von e-Health? Sind alle voller Hoffnung und Begierde? Eine Umfrage unter 10.000 Leistungserbringern, Klinik- und Kassenbossen und Versicherten zeichnet ein etwas differenzierteres Bild. Vor allem die Ärzte granteln vor sich hin und zweifeln am Nutzen der e-Card. Zu Recht?
Kaum ein Thema polarisiert die deutsche Ärzteschaft derzeit stärker als die elektronische Gesundheitskarte. Wir brauchen die Karte. Wir wollen endlich loslegen, wird zum Beispiel Dr. Siegfried Jedamczik aus Ingolstadt nicht müde zu betonen. Das Ingolstädter Praxisnetz, das Jedamczik leitet, arbeitet komplett mit Papierdokumentation auf Dauer nicht zu machen. Am anderen Ende des Meinungsspektrums steht Dr. Evelyn Schuster, Augenärztin aus Sachsen. Mein Limit in der Kassenmedizin ist die Einführung der e-Card, schrieb sie kürzlich in einem Diskussionsforum im Internet. E-Card-Kritiker fürchten die Kosten der Karte, zweifeln an deren Nutzen und sehen sich als unfreiwillige Erfüllungsgehilfen sparwütiger Krankenkassen.
Von Wohl bis Wehe ist alles dabei
Weder Jedamczik noch Schuster sind repräsentativ für die deutsche Ärzteschaft. Doch was ist repräsentativ? Die Studie Monitoring eHealth Deutschland 2005/2006 versucht, dieser Frage auf den Grund zu gehen, nicht nur bei Ärzten, sondern auch bei Apothekern, Kassen und Klinikverwaltungen. Die Untersuchung des Marktforschungsinstituts Wegweiser ist ein Gemeinschaftsprodukt des Industrieverbands BDI, des Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation IAO und des Hartmannbunds. Insgesamt 10.000 Einrichtungen wurden angeschrieben. Die Rücklaufquote lag allerdings nur bei acht Prozent. Darunter waren 129 Kliniken, rund 400 Ärzte, 31 Krankenversicherungen und 20 Apotheken. Als die Studie kürzlich in Berlin in den Räumen des BDI das erste Mal öffentlich vorgestellt wurde, kamen die Ergebnisse der Ärztebefragung kaum zur Sprache. Mit Grund, aus Sicht eines Industrieverbands, denn die Ärzte waren diejenigen, die dem ganzen Komplex e-Health mit der meisten Skepsis gegenüber standen. Stellvertretend für viele Kollegen machte Dr. Angelika Haus vom Hartmannbund die Bedenken der Ärzte am Datenschutz fest: Die Ärzte sind derzeit mehrheitlich nicht davon überzeugt, daß die Internettechnik sicher ist, so Haus in Berlin. Doch die Sicherheit ist nur eines der Probleme, das Ärzte mit der Telematik haben. Der zweite, gravierendere Befund: Sie zweifeln den medizinischen Nutzen an. Zwei Drittel der niedergelassenen Ärzte rechnen nicht damit, dass sich durch den Einsatz von e-Health-Anwendungen die Qualität der medizinischen Versorgung verbessert. Ebenfalls zwei Drittel erwarten allerdings Erleichterungen im Alltag durch den elektronischen Arztbrief und die elektronische Patientenakte, was etwas widersprüchlich ist. Die deutliche Skepsis wiegt noch schwerer, weil es mit der behaupteten Repräsentativität der Studie zumindest bei den Ärzten nicht so weit her ist, wie die Antworten auf Fragen zur Praxistechnik zeigen: Daß vierzig Prozent der deutschen Arztpraxen DSL-Anschlüsse haben sollen und jede fünfte Praxis mit WLAN arbeitet, ist utopisch. Offenbar wurde hier ein eher technikfreundliches Kollektiv versammelt.
Überraschend: Die größten Optimisten sitzen hinter Klinikmauern
Die Skepsis der Niedergelassenen kontrastiert scharf mit den Erwartungen der Krankenkassen und Kliniken: Hier rechnen jeweils mehr als 80 Prozent mit einer Verbesserung der Versorgungsqualität durch e-Health-Anwendungen. Vor allem die Kliniken waren für Überraschungen gut. Zwar klagen IT-Verantwortliche und Verwaltungsdirektoren durch die Bank darüber, daß die schlechte finanzielle Situation der Einrichtungen die Umsetzung von e-Health-Lösungen erschwere. Im Großen und Ganzen aber wird e-Health als lohnende Investition angesehen: Nur zwei bis drei Jahre beträgt im Mittel die erwartete Amortisationszeit. Die Investitionsbereitschaft ist dementsprechend hoch: Das durchschnittliche Krankenhaus will seine Investitionen für IT-Sicherheit um zwei Drittel steigern. Auch mobile Dienste und Handcomputer sind schwer angesagt. Auch bei den Kostenträgern überwiegt die positive Grundhaltung: Satte 96 Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Servicequalität. Ähnlich sieht es bei den Apothekern aus. Sind die Ärzte also die nörgelnden Spielverderber? Solange sie ihre Skepsis hinter nicht ausformulierten Datenschutzbedenken verbergen, wie das die Vertreterin des Hartmannbunds in Berlin tat, kann man diesen Verdacht nicht ganz von der Hand weisen. Denn mit den Datenschutzbeauftragten haben die Versicherten in ihren Reihen qualifizierte Experten, die ein wachsames Auge auf die Gesundheitsdaten werfen. Sie sind es, die regelmäßig Missstände kritisieren, die die Ärzteschaft lieber gar nicht erst thematisiert. Glaubhafter wird die Ärzteskepsis bei Sorgen um einen reibungslosen Praxisalltag und bei den finanziellen Aspekten. Was Letzteres angeht sitzen die Ärztevertreter allerdings mit am Verhandlungstisch. Der Optimismus der Kliniken erklärt sich umgekehrt wahrscheinlich daraus, dass hier e-Health nicht mit der e-Card gleichgesetzt wird, sondern eher mit besseren Möglichkeiten zu einer teilweise schon sehr erfolgreich praktizierten Vernetzung mit anderen Einrichtungen. Es ist also alles nicht so einfach mit den Umfragen