Mit der Entscheidung für eine der Parteien am 18. September wählen Bürgerinnen und Bürger zwangsläufig deren Gesundheitskonzept mit. Welche Vorstellungen diesen Konzepten zugrunde liegen und wer was an ihnen kritisiert, hat DocCheck im Vorfeld der Bundestagswahlen genauer unter die Lupe genommen. Teil 1: "Zwangsversicherung" versus "Bittstellerprämie": Das Gesundheitswesen bei CDU/CSU und SPD.
Das Prämienmodell der Opposition
Noch bis vor kurzem waren Kenner der Szene uneins darüber, mit welchen Angaben zum Gesundheitswesen von morgen die CDU und ihre Schwesterpartei in ihrem Regierungsprogramm 2005 bis 2009 aufwarten würden. Denn seit dem CDU-Parteitag in Leipzig 2003, auf dem die Partei erstmals ihr Kopfpauschalenmodell vorstellte, war von unterschiedlichen Prämienhöhen die Rede. Zunächst sollte die einheitliche Gesundheitsprämie für Versicherte 180 Euro monatlich betragen, später war in einem zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber vereinbarten Kompromiss von 109 Euro die Rede. Für Verärgerung sorgte zudem das permanente Herumnörgeln des ehemals stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion, Horst Seehofer, der die Prämie in einem Fort als Sympathiekiller bezeichnete. Letztlich sind im Wahlprogramm von CDU/CSU, das am 11. Juli vorgestellt wurde, keine Angaben dazu enthalten, wie hoch die Prämie für Versicherte sein soll. Fest steht nur, dass die persönliche Prämie Bestandteil der solidarischen Gesundheitsprämie ist und Versicherte mit niedrigem Einkommen einen sozialen Ausgleich erhalten sollen. Niemand zahlt mehr als bislang, heißt es im Programm. Der soziale Ausgleich erfolgt über Steuern, ebenso wie die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern. Ein weiterer Bestandteil der solidarischen Gesundheitsprämie ist die Arbeitgeberprämie. Anders als noch auf den Parteitagen im Dezember werden im Wahlprogramm keine Angaben zur Höhe dieser Prämie gemacht. So lautet die Aussage: Der Anteil des Arbeitgebers wird festgeschrieben. Er bleibt dauerhaft begrenzt und damit von der Entwicklung der Krankheitskosten abgekoppelt. In einigen knappen Sätzen sprechen sich CDU und CSU zudem für mehr echten Wettbewerb unter den Leistungsanbietern und die Mitnahme von Altersrückstellungen beim Wechsel von einer privaten Krankenkasse zu einer anderen aus.
Die Kritik: Reichen- und Bittstellerprämie
Bereits als Merkel ihr Kopfpauschalenmodell erstmals vorstellte, war von einem unsolidarischen Konzept die Rede. Die Sekretärin gleich viel zahlen zu lassen wie den Chefarzt, den Facharbeiter ebenso viel wie den Werksdirektor, entbehre jeglicher sozialer Balance, lautete die Pauschalkritik. Etwas differenzierter äußern sich die ehemalige Juso-Vorsitzende und Leiterin der Arbeitsgruppe Bürgerversicherung, Andrea Nahles, und die Grüne Sozialexpertin Birgitt Bender. Beide kritisieren die im Wahlprogramm fehlenden Angaben sowohl zur Höhe der Prämie als auch zum Umfang der Leistungen, die versichert sind. Ihr Vorwurf: CDU und CSU verschwiegen, dass die Prämie Leistungen wie Mutterschutz, Krankheit oder Zahnersatz nicht trage. Außerdem mache das Merkel-Modell rund 30 Millionen Menschen zu Sozialleistungsempfängern und somit zu Bittstellern und erhöhe die Bürokratie. Fielen die benötigten Steuereinnahmen geringer aus als von CDU/CSU erwartet, liefe der gesamte Sozialausgleich Gefahr.
Die Bürgerversicherung der SPD
Auch im Konzept einer Bürgerversicherung, das vom SPD-Vorstand vor genau einem Jahr einstimmig beschlossen worden war, schienen zunächst noch viele Eckpunkte ungelöst. Eigentlich hatte die Partei diese in aller Ruhe beratschlagen wollen das blieb jedoch aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahlen auf der Strecke. So enthält das Wahlmanifest der SPD, das die Genossen am 4. Juli vorstellten, folgende Angaben: In der Bürgerversicherung von morgen müsse jeder versichert sein, auch Beamte, Selbständige, Gutverdiener mit einem Einkommen oberhalb der Pflichtversicherungsgrenze von 3900 Euro Brutto und Politiker. Der Versicherungsbeitrag wird entsprechend der Leistungsfähigkeit gezahlt. Hierbei und das ist die entscheidende Neuerung richten sich die Beiträge nicht allein wie bisher nach dem Einkommen, sondern es werden auch Kapitalerträge herangezogen. Mieten und Pachten bleiben beitragsfrei. Die Beitragsbemessungsgrenze, ab der der zu zahlende Betrag nicht mehr erhöht wird, bleibt bestehen. Ebenso der heutige Leistungskatalog. Kinder sind nach den Vorstellungen der SPD genauso mitversichert wie Familienmitglieder ohne Einkommen. Zwischen gesetzlichen und privaten Kassen soll es einen Wettbewerb um die beste Versorgung geben, und beide Kassen müssen jeden aufnehmen. Ganz getreu dem Motto: Möge der Bessere gewinnen.
Die Kritik: Zwangsversicherung ohne Lohnkostensenkung
Am Modell der Bürgerversicherung stoßen Kritiker vor allem drei Punkte auf: zum einen die Pflicht zur Versicherung. So bezeichnete jüngst der Hartmannbund, in dem niedergelassene Ärzte organisiert sind, die Bürgerversicherung als einheitliche Zwangsversicherung, die die Versorgung der Patienten durch fehlenden Wettbewerb verschlechtere. Zum anderen bemängeln Kritiker wie die CDU/CSU Sozialexperten Andreas Storm und Annette Widmann-Mauz, dass die enge Anbindung der Finanzierung an die Lohnkosten Arbeitsplätze vernichte. Denn jede Kostensteigerung im Gesundheitswesen erhöhe die Arbeitskosten. Zur Festsetzung der Beitragshöhe Kapitalerträge heranzuziehen, sorge außerdem dafür, dass der Verwaltungsaufwand enorm steige. Letztlich, so findet zumindest Ärztekammerpräsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, eigne sich keines der beiden Modelle als Lösung. Denn verbindliche Aussagen darüber, wie die Patientenversorgung dauerhaft gesichert werden kann, mache keine Partei.