Disease Management Programme, Integrationsverträge, Hausarztmodelle - vor lauter Versorgungsbürokratie zwitschern Deutschlands Ärzten die Hirnwindungen. Einige Hersteller von Praxis-EDV-Systemen bieten jetzt Module an, die das Hausarztleben in Zeiten des Vertragsbrimboriums einfacher machen. Die Programme sind auch eine Eintrittspforte für Leitlinien.
Zumindest ältere Ärzte hätten sich das bei Eintritt ins Berufsleben wahrscheinlich nicht träumen lassen: Statt einfach nur Medizin zu machen, werden Niedergelassene immer mehr zu Fachärzten für Versorgungsbürokratie. Am Anfang standen die Disease Management-Programme, die ein Formularchaos anrichteten, das dank zunehmend funktionaler EDV-Module erst jetzt langsam abnimmt. Das GKV-Modernisierungsgesetz brachte dem Arzt den Integrationsvertrag. Screeningprogramme sind eine weitere Baustelle, auf der immer mehr Mediziner tätig werden müssen. All diese Sonderprogramme einfach zu ignorieren, kann sich kaum jemand leisten. Denn natürlich haben sie finanzielle Anreize zu bieten, die es nicht nur medizinisch, sondern auch betriebswirtschaftlich ratsam machen, möglichst viele geeignete Patienten in solchen Verträgen unter zu bringen.
Ohne Vertragsmodule für die EDV läuft in Zukunft nichts mehr
Die Frage ist, wie sich das rasch und effizient erledigen lässt. Solange es nur um das DMP Typ II Diabetes geht, mag die traditionelle Methode, die Patienten per Hand auszuwählen, reichen. Doch die Zahl der DMP steigt. Die Barmer Ersatzkasse hat mit ihrem Hausarztvertrag den ersten bundesweiten Integrationsvertrag gestartet, von dem nicht anzunehmen ist, dass er der einzige bleiben wird. Regionale IV-Verträge sprießen wie Gräser aus dem Boden. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung springt jetzt auf den Zug auf und bastelt im Vertragslabor an eigenen Integrationskonzepten unter dem Dach der Kassenärztlichen Vereinigungen. Kurz: Es wird unübersichtlich in der Versorgungslandschaft. Die Idee, die bisher für die Patientendatenverwaltung und die Abrechnung mit der KV konzipierten Praxis-EDV-Systeme zu umfassenden Vertragsmanagern aufzurüsten, liegt vor diesem Hintergrund nahe. Warum soll eine EDV nicht dazu in der Lage sein, selbsttätig zu erkennen, welche Vertragstypen für eine Arztpraxis überhaupt in Frage kommen? Warum soll sie nicht aktiv dazu beitragen, Patienten auszusortieren, die potenzielle Kandidaten für eine Teilnahme an einem oder mehreren Verträgen sind? Die Ehre, diesen Gedanken zuerst in die Realität der Arztpraxis übertragen zu haben, gebührt der CompuGroup, die bereits auf der CEBIT im März ein Softwaremodul namens IV-Verwaltung vorgestellt hat. Wie CompuGroup-Sprecher Matthias Leu im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter sagte, ist es mittlerweile bayernweit an mehrere hundert Arztpraxen ausgeliefert. Drei weitere KV-Bezirke werden in Kürze folgen, so Leu.
Ob ein IV-Patient kommt oder nicht, sagt Ihnen gleich das Licht
Die IV-Verwaltung der CompuGroup kann von Ärzten genutzt werden, die mit den Systemen CompuMed, Data Vital, Turbomed, Albis oder Medistar arbeiten. Das Modul durchforstet zunächst die Praxisdatenbank, um heraus zu bekommen, welche Verträge in der jeweiligen Praxis prinzipiell in Frage kämen. Ist das geschehen, werden bei allen Patienten, die in die Sprechstunde kommen, Vorschläge über mögliche Verträge gemacht. Genutzt werden dazu die in der EDV hinterlegten Informationen zu Kassenzugehörigkeit, Alter, Geschlecht und Diagnose. Ein Beispiel: Erna Müller ist herzkrank und versichert bei der AOK. Sie ist 57 Jahre alt. In diesem Fall würde das Vertragsmodul dem Arzt die Teilnahme am IV-Vertrag Herzinsuffizienz der AOK Bayern vorschlagen, aber nur, wenn der Arzt Kardiologe ist und in Bayern ansässig. Handelt es sich um einen Hausarzt, würde überprüft, ob ein Koloskopiescreening infrage käme. Im Falle des AOK-Vertrags Herzinsuffizienz sind jetzt sämtliche nötigen Unterlagen in der Software abgelegt. Die Weiterleitung des plausibilitätsgeprüften Dokumentationsbogens für die extrabudgetäre Abrechnung geschieht automatisch. Andere Verträge sind zwar derzeit noch nicht so weitgehend integriert, doch sollen sie rasch folgen. Für Ärzte ist das Modul kostenlos. Bezahlt wird es von den Kassen, die ein finanzielles Interesse daran haben, möglichst viele Patienten in Verträgen unterzubringen. Mit einem ähnlichen Modul unter dem Namen IVMportal hat sich jetzt auch Konkurrent Docexpert aufs Parkett gewagt. Die Firma ist im Humanmedizinbereich vor allem mit der Software DocConcept vertreten. Das IVMportal enthält zum einen DMP-Verträge von Diabetes bis KHK. Grundlage ist hier der bereits vielfach im Einsatz befindliche DMPmanager, ein von der KBV zertifiziertes Docexpert-Produkt für DMP-Verträge. Dazu kommt als erster Vertrag aus dem Bereich der integrierten Versorgung der Barmer-Hausarztvertrag. In der von ratiopharm gesponsorten Version ist die DMP-Software unentgeltlich. Für die elektronische Umsetzung des Barmer-Vertrags fallen einmalig 99 Euro und danach monatlich 7,50 Euro an.
Doc! Diesen Patienten könnten Sie auch anders behandeln...
Zumindest die CompuGroup-Variante der Software für Integrationsverträge will sich noch etwas weiter aus dem Fenster lehnen. Es werden nicht nur die Verwaltungsvorgänge vereinfacht. Durch die Integration von Leitlinien soll auch die medizinische Versorgung verbessert werden. Der Herzinsuffizienzvertrag macht hier den Anfang. Zum Ende des dritten Quartals wird bei Ärzten, die an diesem Vertrag teilnehmen, eine von den Vertragsteilnehmern abgesegnete Leitlinie zur Behandlung der Herzinsuffizienz als interaktives Tool hinterlegt, wie Leu dem DocCheck-Newsletter mitteilte. Soll heißen: Wer bei einem Vertragspatienten ein Rezept ausstellt, erhält eine Meldung, wenn die verschriebenen Medikamente nicht dem entsprechen, was die Leitlinie als Therapiestandard vorsieht. Die evidenzbasierte Medizin erreicht die Praxis übers Netzwerkkabel...