Das hat sich Tedec-Meiji Farma bestimmt anders vorgestellt! Das spanische Unternehmen sponserte eine Studie, um die Wirksamkeit ihres Präparates zu untersuchen. Das Ergebnis: Das Placebo lindert Arthroseschmerzen besser als das Nahrungsergänzungsmittel.
Ein Risikofaktor für Arthrose ist, neben dem höheren Lebensalter und dem weiblichen Geschlecht, auch Übergewicht. Mithilfe einer geeigneten Ernährung sollen die Betroffenen dieses wieder normalisieren und dadurch ihre Gelenke entlasten. Zudem erhalten sie gegen ihre Beschwerden Antirheumatika, evt. Glukokortikoide sowie eine physikalische Therapie. Auch das Bewegungsmanagement hat seinen festen Platz in der Arthrosetherapie. All diese Maßnahmen wirken jedoch nur symptomatisch.
Die therapeutische Lücke und der hohe Leidensdruck der Betroffenen sind vermutlich der Grund, weswegen sich „Knorpelschutzmittel“ wie Glucosamin und Chondroitinsulfat immer noch großer Beliebtheit erfreuen. Glucosamin ist ein wichtiger Baustein des Knorpels, der als Tablette die Regenerierung des Knorpels unterstützen soll. Chondroitinsulfat wird normalerweise von Chondroblasten gebildet und erhöht die Widerstandsfähigkeit des Knorpels. Als Beleg für die Wirksamkeit dieser beiden Präparate wird häufig die Untersuchung der Wissenschaftler um Prof. Marc Hochberg zitiert. Dieser hatte Anfang 2016 in einer doppelverblindeten Studie die Wirksamkeit der Glucosamin/Chondroitinsulfat-Kombination mit der von Celecoxib verglichen. Teilgenommen hatten etwa 600 Patienten mit Osteoarthritis und moderaten bis starken Schmerzen. Die Leute erhielten entweder dreimal täglich ein Präparat mit 400 mg Chondroitinsulfat und 500 mg Glucosamin oder jeden Tag 200 mg Celecoxib. Sechs Monate später war die Schmerzintensität in beiden Gruppen um etwa 50 Prozent gesunken. Finanziert wurde die Studie von den Pharmaunternehmen Bioiberica und Pfizer, welche unter anderem die Medikamente kostenlos zu Verfügung gestellt und an der Auswertung der Daten teilgenommen hatten. Allerdings gab es an der Veröffentlichung starke Kritik. Zum einem weil der Placeboarm fehlte, zum anderen aufgrund des Studiendesigns.
Das Thema „Nahrungsergänzungsmittel bei Arthrose“ wurde auch beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie im Jahr 2014 diskutiert. Viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln würden nämlich den Menschen mit Arthrose versprechen, dass diese die Schmerzen in den Gelenken lindern oder einem Verschleiß vorbeugen könnten. Diese angebliche Wirkung sei jedoch in Studien nur in geringem Maße belegt. „Viele Medikamente, die einer Arthrose vorbeugen oder ihr Fortschreiten verhindern sollen, liegen nur knapp über oder auf dem Niveau eines Placebo-Effekts“, so der niedergelassene Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie und für physikalische/rehabilitative Medizin, Dr. Uwe de Jager. Auch für Nahrungsergänzungsmittel wie Chondroitinsulfat, Muschelextrakte, acetyliertes Hydroxyprolin, Heilpflanzen oder homöopathische Mittel sei die Wirkung nicht ausreichend nachgewiesen. Lediglich bei Glucosamin sei die Datenlage etwas besser.
Doch wie sieht es mit der Wirksamkeit und Sicherheit einer Kombination aus Glucosamin und Chondroitinsulfat? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, holte sich das Team um Jorge Roman-Blas von der Madrider Fundación Jimenez Diáz das spanische Unternehmen Tedec-Meiji Farma an Bord. Diese Firma war so überzeugt von der Wirksamkeit ihres Präparates, dass sie die Studie finanzierte und die Medikamente sponserte. Primärer Endpunkt der Studie sollte die Veränderung der Schmerzintensität auf der visuellen Analogskala (VAS) sein. Diese Einschätzung ist jedoch subjektiv, weswegen man für eine aussagekräftige Studie einen Placeboarm benötigt. Für die Interpretation der Daten wurde zudem ein unabhängiges Expertengremium betraut.
An der randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie hatten etwa 160 Menschen mit einer Arthrose des Kniegelenks und mäßigen bis starken Schmerzen teilgenommen. Sie erhielten täglich entweder 1.200 mg Chondroitinsulfat und 1500 mg Glucosaminsulfat oder ein Placebo. Die durchschnittliche Schmerzintensität betrug auf einer 100 mm breiten VAS zu Studienbeginn 62 mm. Nach sechsmonatiger Behandlung gaben die Teilnehmer der Glucosamin/Chondroitinsulfat-Gruppe an, dass ihre Schmerzen um etwa 12 mm oder 19 Prozent gesunken seien. In der Placebogruppe betrug der Rückgang 20,5 mm oder 33 Prozent. Da dieser Unterschied signifikant war, wurde die Studie – obwohl auf zwölf Monate angelegt – bereits nach dieser Zwischenanalyse beendet.
Die spanischen Wissenschaftler sind nicht die ersten, die in ihrer Studie die „Nicht-Überlegenheit der Glucosamin/Chondroitinsulfat-Kombination“ nachgewiesen haben. Vor zwei Jahren veröffentlichte beispielsweise Kate Lapane von der University of Massachusetts Medical School in Worcester ein 4-Jahres-Follow-up. Diesem zufolge soll sich die Einnahme des Nahrungsergänzungsmittels nicht signifikant auf die Arthroseschmerzen auswirken. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch schon eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2010. Dieser zufolge war weder bei der Schmerzintensität noch in den radiologischen Befunden eine positive Wirkung zu erkennen. Dass jedoch sogar das Placebo signifikant besser wirkte als die Glucosamin/Chondroitinsulfat-Kombination, dürfte das Team um Jorge Roman-Blas ziemlich überrascht haben. Als Erklärung für dieses unerwartete Ergebnis geben die Autoren an, dass die Menschen der Glucosamin/Chondroitinsulfat-Gruppe häufiger unter gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Diarrhö, Schmerzen im Oberbauch und Obstipation gelitten hätten. Dadurch hätten sie ihre Schmerzen im Knie schlimmer bewertet als der Placeboarm. Im Vergleich zu früheren Studien wäre zudem der Effekt der Medikamente in beiden Gruppen geringer ausgefallen. Daher vermuten die Autoren, „dass Glucosamin die Absorption von Chondroitinsulfat beeinträchtigen könnte“. Ihre Empfehlung: weitere Untersuchungen.