Wie erinnert man Patienten mit Gedächtnisstörungen an den nächsten Arztbesuch? Und wie stellt man sicher, dass Großmutter ihre Tabletten nicht vergisst? Unmöglich? Nein: Das mobile Betreuungssystem MEMOS macht es möglich.
Senioren oder Menschen mit Hirnschäden mögen noch sehr mobil und körperlich auf der Höhe sein. Wenn sie schwere Gedächtnisstörungen haben, wird ihre Betreuung dennoch zu einem Problem. Für diese Zielgruppe wurde an der Universität Leipzig MEMOS entwickelt, ein mobiles System zur Gedächtnisunterstützung. Es will Abhilfe schaffen, wenn ständig Termine vergessen werden oder wenn die Versorgung mit dem Nötigsten nicht mehr klappt.
Klare Linien statt Orgie der Funktionalität
MEMOS wurde der Öffentlichkeit jetzt auf der Konferenz MobiCare 2005 in Leipzig vorgestellt. Entwickelt wurde es in den letzten zwei Jahren im Rahmen des Forschungsprojekts MOBREGIO, das noch bis August vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt von Wissenschaftlern des Instituts für Informatik und der Tagesklinik für kognitive Neurologie der Universität Leipzig. Der Fachausdruck für MEMOS lautet verteiltes Gedächtnishilfesystem. Etwas anschaulicher: MEMOS verteilt das Gedächtnis der zu betreuenden Person auf mehrere Paar Schultern, ohne dass die zu diesen Schultern gehörenden Betreuungspersonen ständig in der Nähe sein müssten. MEMOS besteht aus drei Hauptelementen, einer Basisstation, einer Betreuungsstation und der persönlichen Gedächtnishilfe PMA (personal memory assistant). Der PMA ist ein Minicomputer, den der Senior oder der Patient stets bei sich tragen sollte, eine Kombination aus Mobiltelefon und tragbarem Kalender. Wer jetzt wissend Communicator ruft liegt nicht ganz falsch: Die technische Grundlage bildet jenes Kommunikationsinstrument, das von T-mobile als MDA und von O2 als XDA vermarktet wird. Doch anders als bei seinen Bürogeschwistern liegt beim PMA der Fokus klar auf der Anwenderfreundlichkeit: Die Zahl der Tasten wurde auf das allernötigste reduziert. Ein Touchscreen mit Großschrift und eine Termineingabe per Anruf sind nur einige der Features, die den PMA vom Communicator abheben. Eine Vergleichsstudie mit einem herkömmlichen Taschencomputer vom Typ Palm ergab eine klare Präferenz der Nutzer: Die meisten bevorzugten unseren PMA, sagte der Projektkoordinator Hendrik Schulze im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter.
Die Hilfe kommt bei MEMOS von vielen Seiten
Das Grundprinzip von MEMOS ist auf maximale Flexibilität ausgelegt: Der Betreuungsprozess ist bei jedem anders, und dem versuchen wir gerecht zu werden, so Schulze. Herz des Systems ist die Betreuungsstation, ein PC, auf den jede in die Betreuung involvierte Person über ein Webinterface zugreifen kann. Dort können dann Aufgaben definiert werden, die die Betreuungsstation dem Patienten über seinen PMA übermittelt. Das ganze wird jeweils begleitet von akustischen Signalen, die als Erinnerungshilfe dienen. So ist es beispielsweise möglich, den Patienten an Termine zu erinnern oder ihn beim Kochen zu unterstützen, indem dieser Vorgang in einzelne Schritte zerlegt wird, die dem Patienten dann der Reihe nach präsentiert werden. Jede erledigte Aufgabe wird auf dem PMA bestätigt, sodass der Betreuer an der Betreuungsstation kontrollieren kann, ob alles ordnungsgemäß gelaufen ist. Besonders kritische Termine können entsprechend gekennzeichnet werden. Werden sie nicht wahrgenommen, wird der Betreuer durch eine Alarmfunktion der Betreuungsstation sofort informiert. Auch der Patient selbst kann mit der Betreuungsstation in Kontakt treten: Wenn ihm ein neuer Termin bekannt wird, den er vergessen könnte, genügt ein kurzer Anruf. Der Termin wird aufgezeichnet und später vom Betreuer oder vom Patienten selbst eingegeben. Ebenfalls integriert ist eine Notruffunktion.
Geldgeber gesucht
Von den Patienten und ihren Betreuern wird MEMOS als hilfreich empfunden: Es gebe sogar eine Familie, die das System sofort gekauft habe, obwohl es noch gar nicht zum Verkauf stand, so Schulze zum DocCheck Newsletter. Trotzdem ist die Zukunft von MEMOS mehr als ungewiss. Im Rahmen des Pilotprojekts wird die Betreuungsstation derzeit von Angestellten der neurologischen Tagesklinik betreut, was natürlich keine Dauerlösung sein kann. Versicherungen, die sich bereit fänden, Familien bei der Anschaffung zu unterstützen, gibt es noch nicht. Krankenkassen haben abgewinkt. Gespräche mit Berufsgenossenschaften laufen noch.