Ist Transparenz nur ein Schlagwort, das Politiker im Mund führen, wenn es gerade ihren Zwecken dient? Im Fall der Patientenquittung zumindest sieht es schwer danach aus. Krankenkassen, die dafür das Internet nutzen wollen, werden vom Gesetz an die Kandare genommen. Und wehren sich jetzt zaghaft.
Bei den Ärzten ist das Papier mit Namen Patientenquittung ein ungeliebtes Kind. Eingeführt, um die Kosten der medizinischen Versorgung auch für gesetzlich Krankenversicherte nachvollziehbar zu machen, interpretiert es die Ärzteschaft als latentes Misstrauensvotum. Patienten merken, dass ihre Ärzte skeptisch bis missmutig sind und fragen gar nicht erst nach Quittungen. Viele sind auch einfach nicht interessiert. Alles in allem ist die politisch mit viel Verve lancierte Patientenquittung bisher ein Rohrkrepierer, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Nicht einmal jeder zweihundertste Patient erkundigt sich nach dem Abrechnungsbeleg, so eine kürzlich vorgelegte Schätzung.
Die E-Patientenquittung bleibt stationär
Wie ist der Status quo? Patienten, die über die Kosten ihrer Behandlung informiert werden wollen, können eine Quittung verlangen, und zwar in der Klinik genauso wie beim ambulanten Arzt oder beim Hersteller von Heil- und Hilfsmitteln. Warum tut es kaum jemand? Zumindest auf Krankenkassenseite zeigt man sich davon überzeugt, dass es nicht am mangelnden Interesse liege. Die Patienten finden eher, dass es sich nicht schickt, ihren Arzt nach einer Quittung zu fragen, so ein Kassensprecher im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter. Die Versicherungen sähen es deswegen lieber, wenn es für Versicherte, die ihr Interesse an Patientenquittungen einmal bekundet haben, eine Art Automatismus gäbe. Den gibt es auch schon, allerdings sehr begrenzt. Im Krankenhaus sowie bei Heil- und Hilfsmitteln ist das realisierbar. Die Kassen sind bereits seit Längerem im Besitz der personenbezogenen Patientendaten von stationären Aufenthalten. Auch die Rechnungen für Heil- und Hilfsmittel erhalten sie personenbezogen. Damit können die Kassen prinzipiell in die Bresche springen und Patientenquittungen auf eigene Initiative ausstellen, ohne die Ärzte zu fragen oder auch nur zu informieren. Besonders elegant geht das natürlich elektronisch. Die Quittungen könnten zum Beispiel über die Homepage der Krankenkassen zugänglich gemacht oder, so weit vorhanden, direkt in eine elektronische Patientenakte des Versicherten eingespielt werden. Genau das wird mittlerweile auch von mehreren Kassen im Rahmen einer Kooperation mit dem Aktenanbieter Careon.de angeboten. Die Resonanz darauf ist offenbar sehr positiv.
Webfehler im Gesetzesteppich oder Kotau vor den Datenschützern?
Im ambulanten Bereich allerdings funktioniert das bisher nicht, auch wenn es seit Anfang 2004 im Prinzip funktionieren könnte. Anfang 2004 trat die letzte Gesundheitsreform, das GKV-Modernisierungsgesetz, in Kraft. Seither erhalten die Kassen auch von ambulanten Ärzten patientenbezogene Abrechungsdaten, womit eine Erstellung individueller Quittungen im Prinzip möglich wäre. Das Gesetz hat hier allerdings einen Fallstrick eingebaut. Denn für die Erstellung von Patientenquittungen dürfen die Kassen nicht jene Daten verwenden, die sie qua Gesundheitsreform ohnehin haben. Stattdessen müssen sie diese Daten von den Kassenärztlichen Vereinigungen gesondert und erneut anfordern. Hintergrund dieser Konstruktion waren offensichtlich Bedenken von Datenschützern, die es den Kassen nicht erlauben wollten, zusammengeführte Patienten- und Behandlungsdaten nach außen zu geben. Dass dabei die elektronische Patientenquittung im ambulanten Bereich gleich mit ausgebremst wird, könnte durchaus ein Versehen gewesen sein. In der Praxis heißt das: Wollen Kassen interessierten Versicherten Patientenquittungen für ambulante Arztbesuche automatisch zukommen lassen, dann sind sie dafür auf die Kooperation der Kassenärztlichen Vereinigungen angewiesen. Eine bundesweit agierende Kasse müsste also mit sämtlichen KV-Verbänden gesondert verhandeln ein Unding. Dass die automatische Zustellung bessere Ergebnisse bringt als eine Lösung, die komplett auf Patienteninitiative vertraut, hat die Kaufmännische Krankenkasse bewiesen, die in Niedersachsen vier Quartale lang jedes Quartal 1500 Patienten auf dem Postweg mit Quittungen versorgte. Das ging, weil die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen dem zugestimmt hatte und die entsprechenden Daten generierte. Ergebnis: Von 6.000 Patienten, die jeweils für ein Quartal Patientenquittungen erhielten, haben sich 441 bei der eingerichteten Hotline gemeldet. Insgesamt 41 Ärzte standen schließlich unter Betrugsverdacht.
Bisher wenig Elan im Ministerium
Ohne eine wohlwollende Kassenärztliche Vereinigung aber geht dergleichen im Moment nicht, weder per Post noch elektronisch. Um das zu ändern, haben sich mehrere kleine Krankenkassen, darunter die Bertelsmann BKK und die BKK PWC, zu einem Arbeitskreis Transparenz zusammengeschlossen. Unter anderem wird die Frage gestellt, ob denn die derzeitige Gesetzeslage in Sachen (ambulanter) Patientenquittung nicht dem Geist der Gesundheitsreform zuwider laufe. Die These hat einiges für sich, denn in vielen anderen Bereichen, etwa beim neuen Gemeinsamen Bundesausschuss, ist Transparenz klar ein politisches Anliegen. Es könnte freilich sein, dass man das im Ministerium eigentlich ganz genauso sieht, und dass trotzdem demonstrativ geschwiegen wird. Vielleicht soll so kurz vor Einführung der elektronischen Gesundheitskarte nicht noch ein Datenschutzfass aufgemacht werden?