Die neuesten Zahlen zum Krankenstand von Versicherten sind gleichermaßen positiv wie erschreckend: Zwar ist - durch die Reihen der gesetzlichen Krankenkassen hinweg - eine weitere Abnahme der krankheitsbedingten Fehlzeiten zu verzeichnen. Die Anzahl derjenigen Personen, die unter einer psychischen Erkrankung leiden, ist hingegen stark gestiegen.
Nach Angaben des DAK-Vorstandsvorsitzenden Herbert Rebscher vom April ist die Anzahl der psychischen Erkrankungen um 70 Prozent von 1997 bis 2004 gestiegen. Etwas Gutes scheint die Zunahme von Depressionen und Angststörungen jedoch zu haben: die Kassen suchen nach Wegen, den Erkrankungen vorzubeugen. Gerade bei jüngeren Versicherten, so geht aus den Daten zum Krankenstand DAK-Versicherter von 2004 hervor, greifen psychische Erkrankungen besonders um sich: bei den 25- bis 29-jährigen Männern stiegen die Erkrankungen seit 1997 um 106 Prozent an, bei den 20 bis 24-jährigen Frauen sogar um 123 Prozent. Insgesamt rückten Depressionen und Angststörungen den DAK-Angaben zufolge mit einem 9,8-prozentigen Anteil am Krankenstand an vierte Stelle, nur übertroffen von Muskel-Skelett-System-Erkrankungen (22,6 Prozent), Erkrankungen des Atmungssystems (15,5 Prozent) und Verletzungen (14,4 Prozent). Erfreulich dagegen: Lag der Krankenstand 2003 noch bei 3,5 Prozent, sank er 2004 auf 3,2 Prozent, die Dauer der Krankheitsfälle blieb konstant bei 11,5 Tagen.
Drastische Entwicklung
Eine ähnlich Entwicklung zeichnete sich bei TK-Versicherten ab: zwar reduzierte sich auch hier der Krankenstand von 3,18 Prozent 2003 auf 3,06 Prozent im vergangenen Jahr und jede Erwerbsperson war einen halben Tag weniger krankgeschrieben als 2003. Die Krankschreibungen aufgrund von psychischen Störungen stiegen jedoch in den letzten fünf Jahren um rund 20 Prozent. Darüber hinaus bleibe abzuwarten, welche Schlußfolgerungen die im Juni vorliegenden Arzneiverordnungsdaten über den Gesundheitszustand der TK-Mitglieder aussagen, so TK-Sprecherin Michaela Speldrich gegenüber dem DocCheck Newsletter. Nicht zuletzt weisen die aktuellen Daten vom Verband der Betriebskrankenkassen (BKK) vom März einen ähnlichen Trend auf: bei BKK-Mitgliedern lag der Krankenstand 2004 um 0,1 Prozentpunkte niedriger als noch 2003, die krankheitsbedingten Fehltage sanken von 13,5 Tagen 2003 auf 13 Tage im vergangenen Jahr. Aber auch hier sind in zunehmendem Maße psychische Störungen für das Fehlen am Arbeitsplatz verantwortlich gegenüber 1990 mit heute durchschnittlich acht Prozent (11 Prozent bei Frauen) sogar doppelt so häufig wie heute.
Die Suche nach den Ursachen
Suchte man bis vor einiger Zeit lediglich nach den Ursachen für den Rückgang der Fehlzeiten meist schien die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine plausible Begründung zu sein beschäftigen sich die Krankenkassen neuerdings mit den Ursachen und der Bekämpfung der psychischen Erkrankungen. In den Fokus rücken dabei zunehmend Arbeitslose. TK-Sprecherin Speldrich zufolge war diese Gruppe 2004 dreimal so häufig von Depressionen und Angststörungen betroffen wie die berufstätigen Versicherten, 28 Prozent aller Fehltage entfielen in der Gruppe der Arbeitslosen auf Krankheiten mit psychisch bedingten Ursachen. Daher plane die Techniker Krankenkasse, Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung auch auf Arbeitslose auszuweiten. Wir denken zur Zeit über Präventionsangebote zum Umgang mit Zurückweisungen, Entspannungstrainings oder Angebote zum Streßmanagement nach, berichtet Speldrich. Einen Schritt weiter sind die Betriebskrankenkassen: Seit August letzten Jahres bietet der BKK-Bundesverband neben der betrieblichen Gesundheitsförderung Projekte zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen an. Mehrere der rund 30 Projekte thematisieren das Thema Arbeitslosigkeit. Hierbei werden zum Beispiel Gespräche mit Arbeitslosen geführt, die auf die Stärkung von deren Gesundheit zielen. Alle 30 Projekte werden mit insgesamt 1,7 Millionen Euro gefördert. Das Institut für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) GmbH in Köln, eine Tochtergesellschaft der AOK-Rheinland, nimmt die Entwicklungen bei psychischen Erkrankungen ebenfalls ernst. In den für Betriebe angebotenen Schulungen und Seminaren zur Durchführung von so genannten Krankenrückkehrgesprächen werden Aspekte zum Umgang mit psychischen Erkrankungen von Mitarbeitern immer wichtiger. Momentan entwickeln wir sogar ein Seminar speziell zu diesem Thema, sagt BGF-Mitarbeiterin Christine Spanke. Auch Vorgesetzte beziehungsweise Chefs müssten lernen, wie man mit einem Mitarbeiter umgeht, der längere Zeit wegen einer psychischen Erkrankung nicht zur Arbeit kommen kann, so die Diplom-Psychologin.