Mehr als vier Jahre ist es her, da rief der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten über die Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit zu einer Aktivierung der "defizitären Versorgungsforschung" auf. Zu wenige Daten lägen über das Versorgungsgeschehen in Deutschland vor, zu wenige Initiativen und Projekte widmeten sich diesem Bereich. Damit soll endgültig Schluss sein, entschied der Deutsche Ärztetag vor drei Wochen in Berlin ...
750.000 Euro stellen die Ärztekammern für die Dauer von sechs Jahren bereit, um die Versorgung der Patienten durch Aussagen über das tatsächliche Versorgungsgeschehen zu verbessern.
Was ist eigentlich Versorgungsforschung?
Was genau der sperrige Begriff Versorgungsforschung eigentlich meint, beschreibt Prof. Dr. Holger Pfaff recht anschaulich. Der Sprecher des Zentrums für Versorgungsforschung in Köln bezeichnet die Versorgungsforschung als ein Forschungsfeld, das untersucht, wie soziale Faktoren, Finanzierungssysteme, Organisationsprozesse und -strukturen, persönliches Verhalten und Technologien den Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Qualität, Kosten und das Wohlbefinden beeinflussen. Dabei sollen Fehlentwicklungen beschrieben und konkrete Lösungen aufgezeigt werden. Genau das hat die Bundesärztekammer (BÄK) mit ihrer Initiative vor. Ein Arbeitskreis Versorgungsforschung beim Wissenschaftlichen Beirat der BÄK hat drei Schwerpunktthemen ausgesucht, anhand derer Projekte ausgeschrieben und gefördert werden sollen. Dabei soll zum einen erforscht werden, welchen Einfluss arztseitige Faktoren auf die Patientenversorgung haben, beispielsweise deren Berufszufriedenheit. Darüber hinaus werden Projekte gefördert, die die Auswirkungen der Ökonomisierung ärztlicher Leistungen auf die Patientenversorgung untersuchen. Nicht zuletzt gilt es zu erforschen, in welchem Ausmaß so genannte Behandlungsleitlinien bislang im ärztlichen Alltag umgesetzt werden. Bewerben kann sich jeder, der sich dazu berufen fühlt, gefördert werden letztlich solche Projektideen, die inhaltlich schlüssig und umsetzbar erscheinen.
Vorhandene Daten nutzen!
Dass das Rad bei der Versorgungsforschung nicht neu erfunden werden muss, bewies Prof. Dr. Bärbel-Maria Kurth Mitglied im Arbeitskreis Versorgungsforschung. Die Leiterin der Abteilung Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung am Robert-Koch-Institut, Berlin, überprüfte ausgewählte Prozess- und Routinedaten auf ihre Brauchbarkeit für die Versorgungsforschung und deren Nutzungsmöglichkeiten. Darunter befanden sich Datensätze wie die GKV-Daten zu ambulanten und stationären Leistungen, Gesundheitssurveys, Mortalitätsstatistiken oder Basisdokumentationen von Kompetenznetzwerken. Nicht alle Daten, die uns bereits vorliegen, werden auch zur Versorgungsforschung genutzt, berichtet Kurth von den Ergebnissen der Untersuchung gegenüber dem DocCheck Newsletter. Das heißt der Epidemiologin zufolge jedoch nicht, dass bereits ausreichend Daten vorliegen. Zu manchem Bereich, so beispielsweise zu arztseitigen Einflussfaktoren, gebe es noch zu wenig Datensätze. Hier gilt es zu differenzieren, betont Kurth. Alles in allem sollte bei der Versorgungsforschung darauf geachtet werden, vorhandene Daten in Kombination mit zusätzlich Erforderlichem zu nutzen. Schließlich sei es wichtig, Versorgungsforschung auf eine Fragestellung hin zu betreiben und nicht datengeleitet. Viele Ärzte hoffen nun darauf, dass sich Politik und Krankenkassen ihrem Vorbild anschließen und mehr Geld als bislang in die Förderung der Versorgungsforschung stecken. Ob jedoch Bereitschaft besteht, die bisherige Fördersumme aufzustocken, bleibt vorerst abzuwarten. Denn auch die ist nicht gering: Mit bislang vier Millionen Euro hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium und den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen 21 Versorgungsforschungsprojekte seit 1999 gefördert, mit weiteren zwei Millionen Euro werden acht Projekte zum Thema Chronisch Kranke in der ab Juni anlaufenden dritten Förderphase unterstützt. Spätestens nach ersten konkreten Ergebnissen, so hofft es zumindest die Ärzteschaft, müsse auch die Politik hellhörig werden. Dann ist es keine bloße Mutmaßung mehr, dass Rationierung und Ökonomisierung die ärztliche Tätigkeit negativ beeinflussen, sagt Kurth. Dann könne die Diskussion auf einer ganz anderen Ebene stattfinden.