Kinder, die am Herzen einen Klappenersatz benötigen, haben ein Problem. Sie wachsen weiter, aber ihre Herzklappe nicht. Eine neue Generation biologischer Herzklappen soll betroffenen Kindern bald viele Operationen ersparen. Die Vision ist ein Transplantat, das mit dem Kind mit wächst.
Herzklappenoperationen sind längst keine heroischen Eingriffe mehr. An vielen Zentren sind sie heute Routine. Allein die Mitralklappe wird in Deutschland bei etwa 7.500 Patienten im Jahr ausgetauscht. Insgesamt werden rund 20.000 Herzklappenoperationen im Jahr durchgeführt.
Herzklappe aus der Spritzpistole
Nur ein ganz kleiner Teil davon sind Kinder: "Etwa 200 bis 300 Kinder erhalten jährlich eine neue Herzklappe", schätzt Professor Axel Haverich von der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover. In aller Regel handele es sich dabei um Kinder mit angeborenen Herzfehlern, wie Haverich im Gespräch mit dem DocCheck Newsletter ausführte. Diese Kinder stehen oft vor einem langen Leidensweg: "Je nach Herzfehler werden manche im ersten Lebensjahr, andere im dritten oder vierten Lebensjahr das erste Mal operiert", so Haverich. Bis sie das Erwachsenenalter erreichen, haben sie dann drei bis vier Operationen mit Herzklappenersatz hinter sich. Denn solange das Kind wächst, wird ihm seine Ersatzklappe alle paar Jahre zu klein. Viele Gruppen von Ärzten und Wissenschaftlern arbeiten daran, dieses Problem zu lösen, um den Kindern zumindest einige dieser schweren Operationen zu ersparen. Das Zauberwort heißt Tissue Engineering. Der Aachener Arzt Dr. Stefan Jockenhövel von der RWTH Aachen beispielsweise strebt mit seiner Arbeitsgruppe eine vollständig körpereigene Herzklappe an, die bereits Säuglingen implantiert werden könnte. Er benutzt dazu Myofibroblasten aus dem Blut der Person, die die Klappe erhalten soll, außerdem das ebenfalls körpereigene Eiweiß Fibrin. In einer Art Spritzgussverfahren wird daraus ein Klappentorso, der schließlich mit Endothelzellen besiedelt wird, was eine Herzklappe ergeben könnte, die sich, so die Hoffnung, nach einer Operation genauso verhält wie jene, die wir von Geburt an mitbringen.
Detergentien und andere Chemie macht Schweineklappen zellfrei
In Hannover wird eine etwas andere Strategie verfolgt: "Wir benutzen Herzklappen vom Schwein als Ausgangsmaterial", wie Haverich erläuterte. Diese werden mit einem speziell entwickelten, chemischen Verfahren von allen zellulären Bestandteilen befreit, also dezellularisiert. Das Klappenskelett wird dann mit körpereigenen Zellen besiedelt, die die ursprünglich körperfremde Matrix abbauen. Der Vorteil dieser Strategie ist, dass mit Klappen gearbeitet wird, bei denen bekannt ist, dass sie operativ eingesetzt werden können und dass sie halten und funktionieren. Versuche einer anderen Arbeitsgruppe aus den USA seien unter anderem daran gescheitert, dass die künstlich erzeugten Klappen zu weich waren, so Haverich. Sein eigenes Verfahren befindet sich gerade in der Patentierungsschleife. Er ist optimistisch, demnächst mit einem klinischen Einsatz beginnen zu können. Ebenfalls mit dezellularisierten Herzklappen von Schweinen arbeitet der Berliner Herzchirurg Professor Wolfgang Konertz. Er hat bereits zahlreiche Patienten damit versorgt, beschränkt sich aber darauf, die Klappen nach der Bearbeitung direkt zu implantieren, ohne sie vorher mit körpereigenen Zellen zu besiedeln. Das Dezellularisierungsverfahren, das von der Firma Auto Tissue GmbH entwickelt wurde, dient vor allem dazu, Verkalkungen zu verhindern und reduziert auch die Gefahr von xenogenen Infektionen. Die Wachstumsfähigkeit der in Berlin verwendeten Implantate reicht aber im Moment nicht aus, um Kindern mit Herzfehler nach der ersten Operation weitere Operationen zu ersparen.