Ein buchstäbliches Notfallalphabet für den klinischen Kardiologenalltag haben US-Mediziner entwickelt. Das Besondere: Anhand der ersten Anfangsbuchstaben merken sich die Ärzte jene lebensrettenden Therapiemaßnahmen, die in Stresssituationen schnell zum Einsatz kommen sollen.
Was beim Schüler-ABC funktioniert, scheint auch bei Ärzten zu klappen - das Lernen und Anwenden mit Hilfe der ersten Lettern des Alphabets. Wie Forscher der renommierten Forschungseinrichtung Johns Hopkins Medicine im US-Fachblatt Journal of the American Medical Association (JAMA) publizieren, könnte die Behandlung von Patienten mit akutem Koronarsyndrom wesentlich effizienter verlaufen, wenn sowohl Ärzte als auch Pflegepersonal die wichtigsten Regeln der Schulmedizin parat haben. Zwar war nach Ansicht der Autoren auch bisher jeder Arzt in der Lage, die Therapie seiner Herzkranken nach den Richtlinien der American Heart Association (AHA) umzusetzen. "Doch viele Doktoren denken, dass die vorgegebenen Leitlinien sehr komplex sind und sich daher nur schwer im Krankenhausalltag und in die tägliche Pflege integrieren lassen", erläutert Roger S. Blumenthal, Direktor am Ciccarone Preventive Cardiology Center at Johns Hopkins und Mitautor der Studie.
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Weil allein die Angst vor den Vorschriften viele Ärzte und Krankenpfleger dazu brachte, die Regeln schlichtweg zu vergessen, entschloss sich die AHA gemeinsam mit dem American College of Cardiology (ACG) zu einem pragmatischen Schritt: Sie vereinfachten die Leitlinien und bauten Ärzten und Pflegern eine Eselsbrücke aus vier Buchstaben. So steht das A im englischen Sprachgebrauch und den neuen Leitlinien für antiplatelet therapy, anticoagulation, angiotensin converting enzyme inhibition und angiotensin receptor blockade. Unter B merken sich US-amerikanische Ärzte nun Begriffe wie beta-blockade und blood pressure control. Der dritte Buchstabe, das C, erinnert selbst im hektischen Krankenhausalltag an cholesterol treatment and cigarette smoking cessation. Das D schließlich steht für diabetes management und diet, während ein E den Behandelnden an die Notwendigkeit der Leibesübungen seines Patienten, der "exercices", erinnert.
Überblick im Notfall
Innerhalb der Buchstaben-basierten Behandlungsoptimierungsstudie haben die Mediziner die Anwendung des Verfahrens auf das akute Koronarsyndrom (ACS) fokussiert. Immerhin 1,6 Millionen Amerikaner leiden daran. Doch Blumenthal zufolge erhält bislang nur die Hälfte der Patienten die adäquate Therapie. Das soll sich nun mit Hilfe der neuen Leitlinien jenseits des Atlantik ändern. Und hierzulande? Rund 280.000 Menschen erleiden nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie einen akuten Myokardinfarkt. Doch die deutschen Kardiologen stehen im Alltag vor ähnlichen Problemen wie ihre US-Kollegen: "Nach wie vor entfallen aber immer noch zwei Drittel der Gesamtsterblichkeit auf die Prähospitalphase, davon über die Hälfte in die erste Stunde nach Symptombeginn", heißt es dazu in den entsprechenden ACS-Leitlinien der Gesellschaft. Den Überblick im Notfall und während der Nachsorge zu behalten, fällt in Deutschland allerdings schwer: Allein der zweite Teil der Leitlinien, bei dem es um das akute Koronarsyndrom mit ST Hebung geht, umfasst 39 Seiten. Die im JAMA vorgestellte Methode hingegen erweist sich aus medizinischer Sicht womöglich als schlichte, aber wirkungsvolle Kurzanleitung und Gedächtnisstütze zugleich - und sie könnte Blumenthal zufolge dazu beitragen, die Sterblichkeit der Patienten deutlich zu senken.