Der Markt für Frühdiagnostik boomt: Um gesundheitliche Spätschäden zu verhindern, wird mit immer mehr Technik und immer feineren Methoden nach immer früheren Hinweisen auf eventuell drohende gesundheitliche Katastrophen gesucht, am Herzen, an der Niere, im Blut. Mitunter muss dafür viel Geld über den Tresen geschoben werden. Längst nicht immer ist der Nutzen klar erwiesen.
"Vorsprung durch Technik" ist ein Slogan, der auf die medizinische Früherkennung nur bedingt zutrifft. In Zeiten, wo Mehrschicht-Computertomografiegeräte immer schneller rotieren, die Magneten von MR-Geräten immer stärker ziehen und die Möglichkeiten der molekularen Bildgebung mit Positronenemissionstomografen und anderen Hi-Tech-Spürhunden immer atemberaubender werden, hält der medizinische Nutzen mitunter nicht ganz Schritt mit der Weiterentwicklung der Geräte.
Wegweisender Kalk oder olle Kamelle?
In Internistenkreisen viel diskutiert wird im Moment zum Beispiel die koronare Kalkscoremessung mit modernen Mehrschicht-CT-Geräten. Vor allem bei ambulanten Kardiologen beziehungsweise in kardiologisch-radiologischen Diagnosepraxen findet die Methode zunehmend Anhänger. Ziel ist die präzisere Abschätzung des kardiovaskulären Risikos bei Patienten, die nach herkömmlicher Risikostratifizierung mittelgradig gefährdet sind. Bei diesen Patienten wird zusätzlich der koronare Kalkscore bestimmt, der als eigenständiger Risikofaktor gewertet wird, wenn ein bestimmter Cut-off-Wert überschritten wird. Für dieses Vorgehen plädiert unter anderem die International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease in einem Panel Report über neue ("emerging") Risikofaktoren. Die Hochstufung im Risiko bei positiver Kalkscoremessung wird dabei an eine Intensivierung der Therapie gekoppelt, vor allem an eine stärkere Senkung des LDL-Cholesterins auf 70 statt 100 Milligramm pro Deziliter. Zum Teil wird auch die Einnahme von ASS empfohlen. Zu den Kritikern der je nach Praxis etwa 500 Euro teuren Methode gehören vor allem Universitätskardiologen, aber auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin. Es wird darauf hingewiesen, dass es keine prospektiven Daten gebe, die zeigen würden, dass eine weitere Stratifizierung des kardiovaskulären Risikos mit Hilfe der CT den Patienten langfristig einen Nutzen bringt. Auch ob der koronare Kalkscore überhaupt als eigenständiger Risikofaktor zu werten ist, ist noch strittig. So weist Professor Erland Erdmann von der Universität Köln darauf hin, dass es in einer kürzlich im Journal of the American Medical Association (JAMA) veröffentlichten Studie keinen Zusammenhang zwischen Kalkscore und Gesamtmortalität gab, und dass auch ein negativer Kalkscore keineswegs das Ende aller kardialen Probleme bedeute. Die größte Sorge aber ist, dass die Zahl der invasiven Koronarangiografien weiter steigt, weil besorgte Patienten und ihre Ärzte lieber auf Nummer sicher gehen wollen.
PET/CT: Verteilungskämpfe blockieren die Erstattung
Etwas anders sieht die Sache bei einer anderen Früherkennungsmethode aus, die sich ebenfalls der modernen Bildgebung bedient. Die Rede ist von der Positronenemissionstomografie (PET) beziehungsweise der "PET-CT", bei der die PET an eine Computertomografie gekoppelt wird, um die Vorteile einer Untersuchung mit hoher Sensitivität (PET) mit denen einer Untersuchung mit exzellenter räumlicher Auflösung (CT) zu verbinden. Bei der PET(/CT) geht es in erster Linie um die onkologische Frühdiagnostik beziehungsweise um die Metastasensuche. "Am medizinischen Nutzen der PET-Untersuchungen in der Onkologie kann es keinen Zweifel geben", sagt etwa Professor Wolfgang Mohnike, ein öffentlich sehr agiler Nuklearmediziner, der in Berlin in ambulanter Praxis einen PET/CT-Scanner betreibt. Das bestätigt auch ein Blick ins Ausland: In den meisten westlichen Ländern wird eine PET beziehungsweise eine PET/CT unter anderem beim Staging des Mammakarzinoms, beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom, beim kolorektalen Karzinom und bei Lymphomen von den jeweiligen Gesundheitssystemen erstattet beziehungsweise sogar empfohlen. Dass sich die Kostenträger sowohl im ambulanten wie im stationären Sektor komplett verweigern, gibt es nur in Deutschland. Nötig für die Erstattung ist hierzulande zunächst ein Antrag im Gemeinsamen Bundesausschuss. Für die stationäre PET-Untersuchung wurde der von Krankenkassenseite bereits vor einiger Zeit eingebracht. Er liegt aber seither auf Eis. Für die wesentlich plausiblere, ambulante PET gibt es bisher nicht einmal einen Antrag, unter anderem weil die Kassenärztlichen Vereinigungen, die prinzipiell antragsberechtigt wären, bei dem rund 1000 Euro teuren Verfahren Verteilungskämpfe innerhalb der niedergelassenen Ärzteschaft fürchten.
Kaum zu glauben: Früherkennung geht auch günstig
Muss Früherkennung eigentlich immer so teuer sein? "Nein", sagt Professor Manfred Weber von der Universität Köln. Der Präsident des diesjährigen Internistenkongresses in Wiesbaden redete im Vorfeld der Veranstaltung leidenschaftlich einem Test das Wort, der gerade mal zwei Euro kostet und der mehr über das kardiovaskuläre Risiko aussage als alle anderen Risikofaktoren. Gemeint ist die Untersuchung des Urins auf eine Mikroalbuminurie, ein früher Marker für Nierenerkrankungen, der in den letzten Jahren zunehmend auch als Parameter für das kardiovaskuläre Risiko Furore macht. Moderne Tests ermöglichen eine Entdeckung dieses Befund bereits bei einer Albuminkonzentration von 20 Milligramm Albumin pro Liter. "Ist der Test positiv, ist das kardiovaskuläre Risiko etwa vierfach erhöht", so Weber in Berlin. Die Frühdiagnostik in alle ihren Facetten in eines der zentralen Themen des Internistenkongresses 2005 vom 2. bis 6. April in Wiesbaden.