Farbe statt Röntgen? Forscher haben ein Verfahren entwickelt, das mehr Sicherheit bei der Unterscheidung gutartiger und bösartiger Tumoren bei Brustkrebs bietet. Es könnte ergänzend in der Vorsorge eingesetzt werden.
Mit dem Problem werden schon Medizinstudenten während der Ausbildung konfrontiert: Die Röntgen-Mammographie gilt als wichtiges Instrument im Kampf gegen den Brustkrebs, doch zu oft stufen Ärzte gutartige Veränderungen fälschlicherweise als „hochgradig suspekt“ ein. Erst die weiterführende Untersuchung bringt dann den Patientinnen die ersehnte Erleichterung – für Dirk Grosenick und Axel Hagen ein Zustand, an dem es etwas zu ändern gab. Tatsächlich entwickelte beide Forscher an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) mit Medizinern der Charité in Berlin jetzt ein Messverfahren, das zwischen gutartigen und bösartigen Tumoren weitaus besser unterscheidet, als die bisherigen Diagnostik-Pendants: Die Fluoreszenz-Mammographie.
„Wir nutzen die Tatsache, dass die Mikrogefäße in bösartigen Tumoren durchlässig für Makromoleküle sind“, erklärt Grosenick das Prinzip. Dazu spritzen Ärzte ihren Patientinnen den nicht toxischen Farbstoff Indocyaningrün (ICG), der im Blut mit hoher Geschwindigkeit an die Plasmaproteine bindet, um auf diese Weise ein makromolekulares Kontrastmittel zu bilden. Die so entstandenen, recht großen Moleküle passen nicht durch die kleinen Öffnungen der Gefäßwände von gutartigen Tumoren. In bösartigen Tumoren jedoch sind die Blutgefäßwände weitaus löchriger und durchlässiger – die leuchtenden Proteine sickern aus den Blutgefäßen der Krebsgeschwulst und reichern sich hier an. Zudem fluoresziert das Kontrastmittel, sobald ein nahinfraroter Laserstrahl die entsprechenden Stellen trifft.
„Um die Farbstoff-markierten Proteine im Gewebe aufzuspüren, wird ein in der PTB entwickeltes optisches Bildgebungsverfahren verwendet, das die Fluoreszenz mit hoher Empfindlichkeit detektieren kann“, erklären die Wissenschaftler aus Braunschweig den eigentlichen Durchbruch, und: „Man misst die Fluoreszenz und simultan die durch die Brust transmittierte Laserstrahlung zu einer Zeit, zu der das Kontrastmittel aus den Blutgefäßen bereits ausgewaschen ist“. Was zunächst nach schwer zugänglicher Physik klingt, sieht in der Praxis einfach aus: Ein Fluoreszenz-Mammogramm mit Tumor erscheint aufgrund der lokal erhöhten Fluoreszenz durch das Kontrastmittel als heller Fleck, während gutartige Veränderungen kein Leuchten im Bild verursachen.
Denn das optische Mammogramm zeigt immer nur jenen Farbstoff, der sich im extrazellulären Bereich des Tumors angereichert hat. „Erste Untersuchungen an Patientinnen zeigen, dass das Verfahren eine gute Unterscheidung der bösartigen Tumore von gutartigen Veränderungen ermöglicht“, beschreibt die PTB den Status des Verfahrens.
Farbstoff könnte Nuklidmangel überbrücken helfen
Dass der bereits im Zweiten Weltkrieg entwickelte Farbstoff Indocyaningrün die Brustkrebs-Diagnose schneller erobern könnte, als auf Grund der noch fehlenden klinischen Studien zu vermuten wäre, liegt an einem rein pragmatischen Aspekt: Seit 2009 kommt die Produktion von Nukliden europaweit zunehmend zum Erliegen, Radiologen stehen in Deutschland vor Engpässen. "Drastische Folgen für Patienten sind in den nächsten Wochen zu befürchten", kommentierten Fachleute des Uniklinikums Essen bereits im April vergangenen Jahres das Problem. Was für die meisten Ärzte zunächst als Horrormeldung daherkam, erweist sich heute als Herausforderung.
Denn die deutsche Nuklearmedizin bringt es jährlich auf mehr als drei Millionen diagnostische Leistungen mit Radionukliden und mehr als 100.000 Therapien, Brustkrebs inklusive. Allein die kleinste Verzögerung innerhalb der Nuklid-Pipeline aber birgt drastische Folgen für die Patientinnen. Um derartige Radionuklidengpässe zu überwinden, stellte beispielsweise die Essener Uniklinik Skelettszintigraphien auf Fluorid um, damit „die Diagnostik insbesondere von Krebspatienten weiter gehen kann“. Auch die so genannte Sentinel-Lymph-Node Szintigraphie, die vor und während der Operation von Brustkrebs zum Einsatz kommt, ist bundesweit vom Mangel an Nukliden betroffen – eine Alternative war bislang nicht in Sicht. Die von der PTB und Charité entwickelte Methode dürfte dieses Kernproblem der Radiologie zwar nicht lösen – aber die Technologie kommt zumindest zu einem wichtigen Zeitpunkt.
Eine skurrile Facette der optischen Mammographie wird wohl die Zeit überdauern: Das helle Leuchten des ICG blieb in Punkto Brustkrebsdiagnostik seit 60 Jahren unerkannt – obwohl weltweit rund 3000 wissenschaftliche Publikationen über Indocyaningrün erschienen.