Wie Wissenschaftler zeigen konnten, funktioniert die medizinische Versorgung bei komplexen Fällen von Nierenversagen funktioniert in Deutschland offenbar besser als in den USA.
Die Forscher fanden heraus, dass deutsche Patienten, die durch eine vorangegangene Immunisierung ein erhöhtes Risiko für Abstoßungsreaktionen aufweisen, bessere Überlebensraten aufweisen als ähnlich schwer erkrankte Menschen in den USA.
Dies gilt sowohl während der Dialyse als auch für die Zeit nach Erhalt einer neuen Niere. Die Gründe hierfür sehen die Forscher nicht nur in der besseren Qualität der Dialyse in Deutschland, sondern vor allem in dem sehr gut funktionierenden europäischen Organvergabesystem, mit dessen Hilfe die Daten von Organspendern und Empfängern erfasst, analysiert und so optimal an die passenden Patienten zugeteilt werden. Die Ergebnisse der Studie wurden in einem „Letter to the Editor“ im „New England Journal of Medicine" veröffentlicht.
Einige Menschen auf der Warteliste für eine neue Niere leiden unter einem vorangegangenen Immunisierungsereignis, der sogenannten HLA-Sensibilisierung. Dies kann nach Schwangerschaften oder bei Empfängern von Blutspenden auftreten. Dabei werden im Blut Antikörper gegen Gewebemerkmale gebildet, die es dem Körper erschweren, Transplantate von bestimmten Spendern zu akzeptieren. Studien zeigen eine sehr hohe Abstoßungsrate von Spenderorganen, wenn eine HLA-Sensibilisierung vorliegt. Wissenschaftler der Johns Hopkins University hatten versucht, die Antikörper im Blut HLA- sensibilisierter Patienten durch einen Austausch des Blutplasmas, die so genannte Plasmapherese, zu entfernen. Dieses komplexe Verfahren führt in Kombination mit einer verstärkten Unterdrückung des Immunsystems bei diesen Patienten zunächst zu einer erfolgreichen Transplantation, birgt aber weitere Risiken: Fast zehn Prozent der so behandelten Patienten starben im ersten Jahr nach der Transplantation, nach fünf Jahren lebten noch 80 Prozent. Im Vergleich dazu zeigen die Daten an der Charité, dass auch ohne Plasmapherese nach fünf Jahren etwa 90 Prozent der Transplantatempfänger mit ähnlichen demografischen Daten überlebt haben. Prof. Klemens Budde, Oberarzt der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie am Campus Charité Mitte, hält vor dem Hintergrund dieser Zahlen derartige Desensibilisierungsprogramme für „unnötig“. Verfahren wie das „acceptable mismatch program“ in Europa, bei dem in einem aufwendigen Verfahren der jeweils beste Spender für die sensibilisierten Patienten auf der Warteliste gesucht wird, seien für Risikopatienten wesentlich besser geeignet. Durch die bessere Gewebeübereinstimmung ist eine weniger starke Unterdrückung des Immunsystems ausreichend, woraus weniger Nebenwirkungen resultieren.
Auch ein Blick zu den Dialysepatienten auf der Warteliste zeigt eine bessere Versorgung in Deutschland als in den USA. In dieser Gruppe verstarben fast neun Prozent der US-Patienten im ersten Jahr, nach fünf Jahren waren 34 Prozent gestorben. Im Vergleich dazu lebten in Berlin und Brandenburg nach fünf Jahren noch etwa 90 Prozent der Dialyse-Patienten auf der Warteliste der Charité. „Der Blick in die USA weist uns auf die Schwächen des amerikanischen Gesundheitssystems hin. Wir sollten uns davor hüten, derartige Programme in Europa zu implementieren“, resümiert Prof. Budde in einem Beitrag im Deutschen Ärzteblatt.
Originalpublikation: Desensitization of HLA-incompatible kidney recipients Lu Huber et al.; New England Journal of Medicine, 365(17): 1643; 2011