Forscher zeigen, dass die Inspektion des gesamten Dickdarms auch das Krebsrisiko im rechten Teil des Darms um mehr als 50 Prozent verringert – insgesamt um 77 Prozent.
Senkt die Teilnahme an einer Darmspiegelung tatsächlich die Anzahl der Krebsfälle im gesamten Dickdarm? In den vergangenen Jahren hatten mehrere Studien den Verdacht genährt, das bei der endoskopischen Untersuchung des Dickdarms hauptsächlich Krebsvorstufen im so genannten linken („absteigenden") Teil des Darms, der direkt in den Enddarm übergeht, entdeckt werden. Hier entstehen die meisten bösartigen Tumoren. Jedoch ließen die Studienergebnisse befürchten, dass die Untersuchung zu so gut wie keiner Risikosenkung für Krebs im Bereich des querliegenden und des aufsteigenden Dickdarms führt.
Vorteile gegenüber "kleiner Darmspiegelung"?
Im Deutschen Kebsforschungszentrum konzentrieren sich Professor Dr. Hermann Brenner und sein Team darauf, mit epidemiologischen Studien die verschiedenen Methoden der Darmkrebsfrüherkennung zu bewerten und so die Wirksamkeit der Vorsorgeuntersuchungen auf ein sicheres Zahlenfundament zu gründen. Mit ihrer aktuellen Studie prüften die Forscher, ob die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms überhaupt gegenüber der so genannten „kleinen Darmspiegelung“ Vorteile bringt. Bei dieser als Sigmoidoskopie bezeichneten Untersuchung, die für den Patienten deutlich weniger Aufwand mit sich bringt, wird ausschließlich der absteigende Anteil des Dickdarms inspiziert.
Die DKFZ-Forscher befragten in ihrer methodisch aufwändigen Studie 1688 Darmkrebspatienten nach zurückliegenden Darmspiegelungen und deren ärztlichen Befunden in den zehn Jahren vor der Diagnosestellung. Die gleichen Informationen wurden auch von 1932 gesunden Kontrollpersonen erbeten.
Aus den Ergebnissen errechneten die Epidemiologen, dass eine vorangegangene Darmspiegelung, bei der eventuell entdeckte Krebsvorstufen sogleich entfernt wurden, das Gesamtrisiko für bösartigen Dickdarmkrebs um 77 Prozent senkt. Weiterhin analysierten die Wissenschaftler separat die Risikoreduktion für die verschiedenen anatomischen Abschnitte des Darms: Für den linken Dickdarm fiel der Krebsschutz erwartetermaßen mit 84 Prozent besonders deutlich aus. Aber auch im rechten Dickdarm war die Krebsrate bei den Befragten mit vorangegangener Darmspiegelung noch immer um 56 Prozent geringer als bei den Telnehmern, die sich dieser Vorsorgeuntersuchung nicht unterzogen hatten.
Aufklärung ist notwendig
Die Ergebnisse unterstreichen das große Potenzial der Darmspiegelung für die Verhütung von Darmkrebs. „Ärzte sollten ihre Patienten aber darüber aufklären, dass die endoskopische Untersuchung des Darms einen sehr guten Schutz vor Darmkrebs gewährleistet – jedoch keine hundertprozentige Sicherheit“, sagt Hermann Brenner. Der Epidemiologe führt verschiedene Gründe auf, warum die Darmspiegelung in verschiednen Darmabschnitten zu unterschiedlich ausgeprägter Risikoreduktion führt: Krebsvorstufen im rechten Darmabschnitt könnten leichter übersehen werden, weil sie häufiger flach und unauffällig sind und der rechte Teil des Dickdarms nicht in allen Fällen vollständig eingesehen werden kann. Im linken Dickdarm treten Darmkrebsvorstufen dagegen meist als prominente Polypen auf. Außerdem gebe es möglicherweise auch Unterschiede im biologischen Verhalten der Tumorzellen in den verschiedenen Darmabschnitten.
Warum aber fallen die Ergebnisse der deutschen Untersuchung anders aus als vergleichbare Studien in anderen Ländern, etwa in Kanada? „Das könnte daran liegen“, mutmaßt Hermann Brenner, „dass in Deutschland viel Wert auf die Qualitätssicherung der Untersuchungen gelegt wird und daher auch die schwieriger zu entdeckenden Krebsvorstufen erkannt werden.“ Bei der Einführung der Darmspiegelung in das Krebsvorsorgeprogramm der gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2002 wurden besondere Vorkehrungen getroffen, dass nur sehr gut qualifizierte Ärzte die Untersuchung vornehmen dürfen und die Qualität der Untersuchungen regelmäßig überprüft wird.
Originalpublikation: Protection from colorectal cancer after colonoscopy: population-based case-control study. Hermann Brenner et al.; Annals of Internal Medicine 154(1) 22-30 (2011)