Das IQWiG hat untersucht, ob die Kombination mit Prasugrel für Patienten, bei denen die Gefäße durch eine perkutane Koronarintervention geweitet werden, einen höheren Nutzen hat als die alleinige Gabe von ASS oder die Kombibehandlung mit Clopidogrel.
Um Blutgerinnseln vorzubeugen, können bei einer akuten Durchblutungsstörung des Herzmuskels zusätzlich zu Acetylsalicylsäure (ASS) auch die Wirkstoffe Clopidogrel oder Prasugrel verordnet werden. Dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zufolge gibt es Hinweise, dass Prasugrel das Risiko für weitere nicht tödliche Herzinfarkte bei einem Teil der Patienten besser senkt als Clopidogrel, schwerwiegende Blutungen jedoch häufiger auftreten.
ASS und Prasugrel sollen sich in ihrer Wirkung ergänzen
Prasugrel ist seit 2009 unter dem Handelsnamen Efient ® in Deutschland auf dem Markt und kann für manche Patienten alternativ zum Wirkstoff Clopidogrel eingesetzt werden. Clopidogrel wurde im Jahr 2009 vom IQWiG bewertet. Prasugrel ist - wie Clopidogrel - ein sogenannter Thrombozytenaggregationshemmer, der ähnlich wie ASS eingesetzt wird: Er hemmt das Gerinnungssystem im Blut, wodurch die Blutplättchen weniger "klumpen" (aggregieren) und Blutgerinnsel (Thromben) bilden können. Prasugrel soll damit beispielsweise Herzinfarkten und Schlaganfällen vorbeugen. Allerdings kann auch das Risiko von Blutungen zunehmen. Da Prasugrel anders in die Blutgerinnung eingreift als ASS, geht man davon aus, dass sich die Arzneistoffe ergänzen und die hemmende Wirkung auf die Gerinnselbildung insgesamt steigt. Von Clopidogrel unterscheidet sich Prasugrel vor allem durch einen schnelleren Wirkeintritt. Prasugrel soll deshalb kurzfristiger eingesetzt werden können.
Zulassungsstatus von Clopidogrel und Prasugrel ist unterschiedlich
Zugelassen ist Prasugrel in Deutschland ausschließlich in Kombination mit ASS für Patienten mit einem Akuten Koronarsyndrom (AKS), also mit einer akuten Verengung der Herzkranzgefäße, bei denen die Gefäße durch einen Eingriff, eine perkutane Koronarintervention (PCI), geweitet werden sollen. Diese Patienten leiden entweder an einer instabilen Angina Pectoris oder haben akut einen Herzinfarkt erlitten. Im Unterschied zu Prasugrel ist Clopidogrel bei Patienten, die einen "schweren" Herzinfarkt, d.h. einen Herzinfarkt mit einer sogenannten ST-Streckenhebung (STEMI) erlitten haben, und die deshalb eine PCI bekommen, nicht zugelassen. Dennoch wird Clopidogrel in der Praxis häufig auch bei diesen Patienten eingesetzt. Ob sie davon einen Nutzen haben, wurde in Studien bislang jedoch noch nicht ausreichend untersucht. Den Anforderungen des Auftraggebers, des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gemäß, sollte die Nutzenbewertung von Prasugrel innerhalb des in Deutschland gültigen Zulassungsstatus erfolgen. Dementsprechend hat das IQWiG Prasugrel für Patienten mit STEMI lediglich mit der ASS-Monotherapie, nicht jedoch mit Clopidogrel plus ASS verglichen.
Zwei Studien in die Bewertung einbezogen
In die Bewertung einbezogen haben die Wissenschaftler zwei Studien: In einer Langzeitstudie (TRITON) wurden die Patienten zwischen 6 und 15 Monate beobachtet, in einer Kurzzeitstudie (JUMBO) waren es bis zu 35 Tage. Bei TRITON und JUMBO handelt es sich um randomisierte kontrollierte Studien, die jeweils die Kombinationsbehandlungen von Prasugrel und Clopidogrel plus ASS verglichen. In beiden Studien wurden größere Gruppen von Teilnehmern anders behandelt, als es die Zulassung für Prasugrel und Clopidogrel in Deutschland vorsieht. Verwenden konnte das IQWiG deshalb nur die Ergebnisse zu den Untergruppen von Teilnehmern, die gemäß der Zulassung behandelt wurden. Die Aussagen des IQWiG stützen sich dabei primär auf die TRITON-Studie, da hier mit mehreren Tausend Patienten wesentlich mehr Patienten als in der kleineren JUMBO-Studie zulassungskonform behandelt wurden (weniger als 200 Patienten). Studien zum Vergleich von Prasugrel plus ASS mit einer ASS-Monotherapie lagen nicht vor, weshalb der Abschlussbericht hier keine Aussagen über Vor- und Nachteile von Prasugrel bei STEMI treffen kann.
Kein Beleg, aber Hinweis auf Nutzen
Für Patienten mit einem "leichten" Herzinfarkt oder einer instabilen Angina Pectoris, also die Patienten ohne ST-Streckenhebung (IA/NSTEMI) fanden die Wissenschaftler Hinweise auf einen möglichen Vorteil von Prasugrel plus ASS gegenüber Clopidogrel plus ASS: In der TRITON-Studie erlitten Patienten mit Prasugrel seltener (erneute) nicht tödliche Herzinfarkte oder Schlaganfälle oder benötigten seltener eine erneute Ballonbehandlung zur Erweiterung der Herzgefäße. Das IQWiG interpretiert diese Ergebnisse nicht als einen Beleg, sondern lediglich als einen Hinweis auf einen Vorteil von Prasugrel. Denn die Studienteilnehmer erhielten die Medikamente erst relativ spät nach dem Auftreten der Herzinfarkt-Symptome. Da die Wirkung von Prasugrel generell schneller eintritt, wurde Clopidogrel durch die Studienanordnung in diesem Punkt vermutlich systematisch benachteiligt, so das Institut. "Hier wurden die Regeln des fairen Vergleichs verletzt", sagt Thomas Kaiser, Leiter des Ressorts Arzneimittelbewertung des IQWiG. "Wir können nicht ausschließen, dass das Ergebnis anders ausgefallen wäre, wenn man die beiden Medikamente früher gegeben hätte", sagt Thomas Kaiser. Was die Verhinderung eines Schlaganfalls betrifft, gelte der Hinweis auf einen Zusatznutzen von Prasugrel zudem nur für bestimmte Patienten: Denn solche Hinweise fanden sich in den Studien nur für Patienten ohne Gefäßvorerkrankungen in der Krankengeschichte.
Hinweis auch auf Schaden
In den Studien fand das IQWiG gleichzeitig Hinweise auf einen größeren Schaden: Denn schwerwiegende Blutungen traten mit Prasugrel plus ASS häufiger auf als mit Clopidogrel plus ASS. Dazu zählen beispielsweise Blutungen, die eine Bluttransfusion notwendig machten. Auch Neoplasien (bösartige und gutartige Tumoren) traten mit Prasugrel häufiger auf. Wegen der häufigeren Blutungen wurden allerdings mit Prasugrel behandelte Personen auch häufiger intensiv untersucht. Möglich sei deshalb, dass bei diesen Untersuchungen "nebenbei" Tumoren identifiziert wurden, die bei denjenigen, die Clopidogrel einnahmen, unentdeckt blieben. Da diese Ergebnisse der TRITON-Studie nicht sicher interpretierbar sind, sieht das IQWiG hier lediglich einen Anhaltspunkt (und keinen Hinweis oder gar Beleg) für einen größeren Schaden.