Neue Leitlinien für die Behandlung von Vorhofflimmern wurden im September 2010 veröffentlicht. Verfasser dieser europaweiten Empfehlungen für Ärzte ist eine internationale „Task Force“ der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC).
Vorhofflimmern ist die häufigste behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung, insbesondere bei älteren Menschen. Rund eine Million Betroffene leben in Deutschland, Tendenz steigend. Aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung rechnen Experten bis 2050 mit einer Verdopplung der Patientenzahl. Die Behandlungsmethoden sind vielfältig und werden ständig weiterentwickelt. In den Leitlinien ist das gesamte heute verfügbare Wissen über Vorhofflimmern gebündelt und auf der Basis aktueller Studien bewertet mit dem Ziel, den Ärzten eine Entscheidungshilfe für ihre Behandlungsstrategie zu geben. Die Vorhofflimmer-Leitlinien 2010 lösen die bisherigen Empfehlungen aus Jahr 2006 auf europäischer Ebene ab. Sie enthalten eine Reihe von Neuerungen, die für den Behandlungsalltag relevant sind:
Behandlungsmanagement je nach Symptomatik
Die Autoren der Leitlinien stellen fest: Patienten mit Vorhofflimmern haben ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen. Deshalb sind eine frühzeitige Diagnose und ein gutes Behandlungsmanagement wichtig. Die Behandlung sollte eine antithrombotische Therapie, eine Regulierung der Herzfrequenz, eine Behandlung zugrundeliegender kardiovaskulärer Erkrankungen und bei symptomatischen Patienten eine rhythmuserhaltende Behandlung umfassen. Empfohlen wird eine konsequentere antithrombotische Behandlung, die bei den meisten Patienten eine orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten umfasst. Zur Bewertung des Schlaganfallrisikos wird in den Leitlinien der neue CHA2DS2-VASC Score eingeführt anstelle des bisherigen CHADS2. Die frequenzregulierende Behandlung hingegen kann etwas freizügiger gefasst werden, als dies bisher getan wurde.
Eine rhythmuserhaltende Behandlung, ob medikamentös oder durch Ablation, sollte angewandt werden, wenn die Symptome es erfordern, wobei die Sicherheit der gewählten Behandlung im Vordergrund stehen sollte. Zur Klassifizierung der Symptome bei Vorhofflimmern wird der neue EHRA Score für Symptome während Vorhofflimmerns empfohlen, ähnlich wie die NYHA-Klassifizierung der Herzinsuffizienz. Es haben zwei neue Antiarrhythmika Eingang in die Leitlinien gefunden, und die Pulmonalvenenisolation hat nun – in der Regel als Therapie der zweiten Wahl – einen festen Platz in der rhythmuserhaltenden Behandlung von Vorhofflimmern.
Vierfache Kompetenz für bessere Versorgung
Vier Wissenschaftler aus dem Kompetenznetz Vorhofflimmern, Prof. Dr. Paulus Kirchhof, Münster, Prof. Dr. Andreas Götte, Paderborn, Prof. Dr. Gerhard Hindricks, Leipzig, und Prof. Dr. Ulrich Schotten, Maastricht, haben an den Leitlinien 2010 mitgearbeitet. Prof. Kirchhof ist zuversichtlich, dass die neuen Empfehlungen zur Verbesserung der Behandlung von Vorhofflimmern beitragen werden: „Wir hoffen, dass die neuen Leitlinien klare, in der Praxis gut umsetzbare Empfehlungen geben, die eine noch bessere Versorgung der oft multipel kardiovaskulär erkrankten Patienten mit Vorhofflimmern ermöglichen.“
Originalpublikation: Guidelines for the management of atrial fibrillation: The Task Force for the Management of Atrial Fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC). A. John Camm et al.; European Heart Journal und Europace Journal doi:10.1093/euroheart/ehq278 (2010)