Schon lange werden die Blutgruppen in Verbindung mit bestimmten Erkrankungen gebracht. So ist das Diabetesrisiko laut einer französischen Studie bei Menschen mit Blutgruppe B um über 20 Prozent erhöht. Welche Blutgruppen stehen mit welchen Krankheiten im Zusammenhang?
Dass die Blutgruppe bei einigen Krankheiten eine Rolle spielt, wurde bereits im Jahr 1959 untersucht. W. Helmbold vom Max-Planck-Institut für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie, Berlin-Dahlem, veröffentlichte damals eine Arbeit über den Zusammenhang des AB0-Blutgruppensystems und der Entstehung von Krankheiten. Seitdem hat sich in der Forschung einiges getan.
Im Jahr 1958 schrieb der Forscher unter anderem, dass Magenkarzinome „das Ergebnis einer Antigen-Antikörper-bedingten hyperergischen Entzündung mit Nekrose [sind], die selektiv vom ABO-System beeinflußt wird.“ Heute weiß man, dass ein Ulcus ventriculi bei Menschen mit Blutgruppe 0 tatsächlich häufiger vorkommt. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Markus M. Lerch und Dr. Georg Homuth an der Universitätsmedizin Greifswald fand heraus, dass Träger der Blutgruppe B auch mehr als doppelt so häufig an Pankreatitis erkranken als Träger anderer Blutgruppen. Die Forscher haben mittels der Genom-weiten Assoziationsstudie (GWAS) an 4.000 gesunden Freiwilligen der SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania) untersucht, welche genetischen Faktoren bei Gesunden mit dem Vorliegen hoher oder niedriger Lipase-Werte im Blut korrelieren. Bei einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung liegen meist erhöhte Werte des Verdauungsenzyms, der Lipase, im Blut erkrankter Patienten vor. Die Forscher fanden eindeutige Korrelationen zwischen spezifischen Varianten von Genen, die die AB0-Blutgruppen-Eigenschaften kodieren und der Höhe der Lipase-Werte im Blut. Die Wissenschafler errechneten, dass Probanden mit der Blutgruppe B ein 2,5-fach höheres Risiko haben, an einer chronischen Pankreatitis zu erkranken. „Unsere Ergebnisse sind auch deshalb interessant, weil in einer anderen Studie gezeigt wurde, dass die Blutgruppe B auch einen wichtigen Risikofaktor für die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs darstellt. Dies weist darauf hin, dass die chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung und das Pankreaskarzinom zum Teil dieselbe genetische Grundlage haben“, so die Mediziner.
Eine japanische Studie hat ergeben, dass Patienten mit Blutgruppe 0 nach einem Trauma mit Blutverlust eine doppelt so hohe Mortalitätsrate aufweisen verglichen mit den übrigen Blutgruppen. „Starker Blutverlust ist die Haupttodesursache von Patienten mit schweren Verletzungen“, sagt Wataru Takayama vom Tokyo Medical and Dental University Hospital. Jeder Dritte der Schwerverletzten hatte Blutgruppe 0. Von diesen starben 28 Prozent, bei den anderen waren es nur 11 Prozent. Ob sich die Patienten mit den Blutgruppen A, B und AB in ihren Sterberisiken unterschieden, wurde nicht untersucht. In Mitteleuropa haben etwa 40 Prozent der Menschen die Blutgruppe 0. Für die Praxis hat der Aussagewert eine hohe Bedeutung. Ist in der Notaufnahme bekannt, dass der Traumapatient die Blutgruppe 0 hat, muss das Klinikteam dem Blutverlust und den Gerinnungsparametern besondere Aufmerksamkeit schenken.
Träger der Gruppe 0 haben aber auch Vorteile. Guy Fagherazzi vom Gustave-Roussy Institute in Villejuif wertete Daten von 82.104 Teilnehmerinnen einer 1990 gestarteten Langzeitstudie aus. Im Vergleich zu Frauen mit Blutgruppe 0 war das Diabetesrisiko bei Blutgruppe A um 10 Prozent und bei Blutgruppe B um 21 Prozent erhöht. Diejenigen mit Blutgruppe B, Rhesus-positiv erkrankten mit einer um 35 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit an Diabetes als Frauen mit Blutgruppe 0, Rhesus-negativ. Die Forscher machen unterschiedliche Faktoren für das geringste Diabetesrisiko für Blutruppe-0-Träger verantwortlich. Andere Oberflächenproteine der Thrombozyten, Lipidveränderungen oder Veränderungen im enteralen Mikrobiom werden als potenzielle Gründe zur Diskussion gestellt. Menschen mit Blutgruppe A, B oder AB bilden im Gegensatz zu denen mit Blutgruppe 0 bestimmte Proteine oder Lipide auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen. Diese könnten die Produktion entzündungsfördernder Botenstoffe verstärken, vermuten die Autoren. Das würde die Entwicklung von Diabetes begünstigen. Es gibt aber auch andere Erklärungsversuche. So wäre es möglich, dass sich die einzelnen Blutgruppen unterschiedlich auf die Zusammensetzung der Darmflora auswirken. Und die Darmkeime beeinflussen bekanntlich Entzündungsreaktionen im Körper sowie die Regulation von Energiehaushalt und Zuckerstoffwechsel. Die Blutgruppe scheint also in der Tat bei einigen Erkrankungen eine Rolle zu spielen. Es bedarf aber noch weiterer Forschungen, um daraus Empfehlungen für eine Gesundheitsprävention treffen zu können.