Wissenschaftler entdeckten nun, dass die Konzentration der microRNA miR-146a im Blutserum als eine neue Therapie- und Diagnoseoption für Schwangerschafts-assoziiertes Herzversagen - die peri- oder postpartale Kardiomyopathie (PPCM) - dienen kann.
"Wir haben entdeckt, dass die PPCM zu einer höheren Konzentration der microRNA miR-146a im Blutserum führt, die uns nun eine frühzeitige Diagnose der PPCM erlaubt", sagt Professorin Dr. Denise Hilfiker-Kleiner, MHH-Klinik für Kardiologie und Angiologie. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler nun in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Journal of Clinical Investigation". Die PPCM ist eine seltene aber schwere Erkrankung, deren Ursache noch unklar ist. Sie kann bei vorher gesunden Frauen ohne Vorwarnung in den letzten Wochen der Schwangerschaft und in den ersten Monaten nach der Entbindung auftreten und binnen weniger Wochen zum Tod führen. Zu den Risikofaktoren gehören erhöhter Bluthochdruck oder Mehrlingsgeburten. Symptome dieser Erkrankung können sein: Abgeschlagenheit, Atemnot, Wassereinlagerungen in Armen und Beinen, starker Reizhusten, schlechter Schlaf und Herzrasen. Gesicherte Zahlen zur Häufigkeit gibt es nicht. Schätzungen zufolge könnte eine von 2.500 bis 4.000 Schwangerschaften in Deutschland betroffen sein. "PPCM ist schwer zu diagnostizieren, da ihre Symptome häufig als normale schwangerschaftsbedingte Unpässlichkeiten oder Infekt-bedingte Beschwerden falsch interpretiert werden. Die Chance für PPCM-Patientinnen, sich gut von ihrer Krankheit zu erholen, ist bei einer frühen Diagnose am besten. Andererseits können auch unbemerkte genetische Herzprobleme durch eine Schwangerschaft demaskiert werden, eine Erholung ist dann seltener - eine frühzeitige Therapieplanung kann aber lebensrettend sein", erklärt Professorin Hilfiker-Kleiner, Leiterin der Arbeitsgruppe "Endogene Regeneration des Herzens" des Exzellenzcluster REBIRTH (Von Regenerativer Biologie zu Rekonstruktiver Therapie).
Als einen der Verursacher von PPCM konnten die Forscher in früheren Arbeiten ein Spaltprodukt des Stillhormons Prolaktin identifizieren. Es zerstört im Herzgewebe Blutgefäße und beeinträchtigt die Blutzirkulation so stark, dass das Herz nicht mehr funktioniert. In einer multizentrischen klinischen Studie an der MHH wird zurzeit untersucht, ob das Abstillmedikament Bromocriptin, das das Prolaktin blockiert, den Frauen hilft. Damit werden aber auch die positiven Effekte des Stillens, wie die Rückbildung oder die Mutter-Kind Bindung, unterbunden. Die Forscher entdeckten nun, dass eine Blockade der miR-146a nur die negativen Effekte des Prolaktinspaltproduktes entfernt und die positiven Effekte, also das Stillen, zulässt. Die Wissenschaftler klärten auch den Mechanismus auf: Das Prolaktinspaltprodukt, nicht aber das intakte Stillhormon, erhöht die miR-146a-Konzentration in den Endothelzellen, die Blutgefäße des Herz-Kreislauf-Systems auskleiden. Dies führt zum Verlust der Endothelzellen und so zu der für die PPMC typischen Gefäßschädigung. Zudem sondern die Endothelzellen unter diesen Bedingungen auch vermehrt Microvesikel ab – kleine Transportgefäße, die von einer Membran umgeben sind. "Diese Vesikel transportieren die miR-146a über den Blutstrom in die Herzmuskelzellen. Dort verringern sie Genprodukte, die wichtig fürs Überleben und den Stoffwechsel sind. Dies führt zu einem Funktionsverlust des Herzens", sagt Professorin Hilfiker-Kleiner.
Durch Gabe von Wirkstoffen, die miR-146a hemmen, konnte das Team um Professorin Hilfiker-Kleiner im Mausmodell die meisten für PPMC-typischen Effekte aufheben und die Herzfunktion erhalten, während die Stillfähigkeit und die Aufzucht des Nachwuchses normal verliefen. "Diese Therapie muss aber für Patientinnen erst noch etabliert werden", betont die Biologin. Die MHH ist europaweit das größte Zentrum für PPCM. Derzeit testen die Mediziner in einer klinischen Studie an der MHH und anderen Kliniken in Deutschland, ob eine vollständige Blockade des Prolaktins mit dem Abstillmedikament Bromocriptin zusätzlich zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz die Heilung fördert. "Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend, es handelt sich aber immer noch um einen Heilversuch. Risiken und Nebenwirkungen sind noch nicht genügend untersucht, daher sollten Patientinnen möglichst nur im Rahmen der wissenschaftlichen Studie mit Bromocriptin behandelt werden", betont Professor Dr. Johann Bauersachs, Direktor der MHH-Klinik für Kardiologie und Angiologie. Zudem sei eine gleichzeitige Behandlung von gerinnungshemmenden Mitteln notwendig, sonst bestünde ein erhöhtes Risiko für die Patientinnen, einen Schlaganfall zu erleiden. Originalpublikation: MicroRNA-146a is a therapeutic target and biomarker for peripartum cardiomyopathy Denise Hilfiker-Kleiner et al.; J Clin Invest., doi: 10.1172/JCI64365; 2013