In Deutschland nimmt jeder Dritte Nahrungsergänzungsmittel ein. Besonders beliebt sind Magnesium-Präparate – davon sind mehr als die Hälfte überdosiert, warnen jetzt die Verbraucherzentralen und fordern mehr Kontrolle und Transparenz für Konsumenten.
Jährlich geben Deutsche mehr als eine Milliarde Euro für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) aus. Deren regelmäßige Einnahme stufen Experten nicht nur als unnötig, sondern häufig auch als schädlicher ein, als Konsumenten bewusst ist. Hier sind Ärzte und Apotheker gefragt, Patienten und Kunden auf die Risiken der vermeintlich harmlosen Präparate hinzuweisen.
Bei Wadenkrämpfen ist Magnesium oft das Mittel der Wahl. Aber auch bei Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Migräne empfehlen Präparate-Hersteller die Einnahme. Googelt man die Wirkung von Magnesium, scheint die Liste möglicher Anwendungsgebiete endlos. Es verwundert also wenig, dass Magnesium bei Nahrungsergänzungsmitteln absoluter Spitzenreiter ist. Im Jahr 2014 wurden mit dem Mineralstoff über 184 Millionen Euro umgesetzt. Zum Vergleich: Bei Vitamin-B-Kombinationen waren es rund 52 Millionen, bei Calcium-Präparaten beinahe 50, bei Eisen 34 Millionen Euro.
Leise schwingt der Satz „Hilft‘s nicht, schadet‘s nicht“ mit, wenn Patienten aufzählen, welche Präparate sie regelmäßig einnehmen. Mögliche Risiken werden unterschätzt, betont Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Viele Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln vermitteln Verbrauchern, sie würden ihrer Gesundheit etwas Gutes damit tun. Häufig aber sind solche Produkte Geldverschwendung, manchmal sogar gesundheitsgefährdend,“ kritisiert er den Status Quo.
Handlungsbedarf besteht vor allem in puncto Transparenz: „Verbraucher erfahren zu wenig über diese Produkte und unterschätzen daher die Risiken,“ ist sich Ernährungsexpertin Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sicher. Deshalb fordern sie und ihre Kollegen landesweit bessere Aufklärung für Konsumenten. Bei der Internationalen Grünen Woche in Berlin stellen sie die Internetseite www.klartext-nahrungsergaenzung.de vor. Dabei handelt es sich um eine Initiative, die Informationen und Orientierung zu Nahrungsergänzungsmitteln bieten soll. Besonderer Schwerpunkt liegt auf den Aspekten Nutzen und Risiken.
Das Klartext-Projekt ergänzen die Verbraucherzentralen mit einem Marktcheck, im Zuge dessen Magnesium-Präparate untersucht wurden. Es stellte sich heraus, dass 64 Prozent der Produkte überdosiert sind. Mögliche Nebenwirkungen sind beispielsweise Durchfall und Erbrechen. Bei Kombi-Präparaten waren auch andere Vitamine und Mineralien zu hoch dosiert, außerdem war die Zusammenstellung häufig nicht optimal.
Darüber hinaus wird online bei 40 Prozent der Nahrungsergänzungsmittel mit Gesundheitsaussagen geworben, die gar nicht zugelassen sind. Darauf vertrauen 47 Prozent der Verbraucher aber: Sie gehen laut der Umfrage davon aus, dass Präparate, die man in Deutschland kaufen kann, auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft wurden. Die Wahrheit sieht anders aus. Hersteller sind lediglich dazu verpflichtet, neue Produkte anzumelden.
Aus Sicht der Verbraucherzentralen ist der nächste notwendige Schritt ein staatliches Zulassungsverfahren für Präparate. Des weiteren fordern sie eine öffentlich zugängliche Datenbank aller Produkte und eine unabhängige Informationsquelle möglicher Einnahme-Risiken. Für Nebenwirkungen, die durch eine Einnahme entstehen können, müsse es zukünftig außerdem eine Meldestelle geben, die Verbraucher bei Bedarf in Anspruch nehmen könnten.