In Deutschlands Apotheken fehlen erneut wichtige Medikamente. Aktuell ist die Kombination Piperacillin plus Tazobactam betroffen. Doch Behörden ziehen daraus keine Konsequenzen – und Vereinbarungen aus dem Pharmadialog bleiben vage.
Versorgungsengpässe mit wichtigen Präparaten standen in letzte Zeit regelmäßig auf der Tagesordnung. Davon waren häufig Antiinfektiva und Zytostatika betroffen, beispielsweise Daptomycin sowie Ampicillin/Sulbactam. Nach der Explosion eines Betriebs in China ist Piperacillin/Tazobactam rar geworden. Die betroffene Firma galt als größter Produzent für den Weltmarkt.
„Diese Wirkstoffkombination wird wegen ihres breiten Wirkspektrums bei verschiedenen Infektionen – auch Krankenhausinfektionen – eingesetzt“, erklärt Professor Dr. Winfried Kern. Er ist Leiter der Infektiologie am Uniklinikum Freiburg und Vorstandsmitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). Kern bewertet Piperacillin/Tazobactam als „unentbehrlich“. Die Folgen für Patienten sind verheerend: „Oftmals müssen wir auf ein Antibiotika mit unnötig breitem Wirkspektrum zurückgreifen“, so Dr. Dr. Katja de With, Leiterin der klinischen Infektiologie am Uniklinikum Dresden. „Dadurch steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich immer weitere, kaum noch zu behandelnde Resistenzen ausbilden.“ Forderungen des Bundesministeriums für Gesundheit, Antibiotika in der Humanmedizin rational einzusetzen, scheitern teilweise an Versorgungsproblemen.
Doch wie kommt es zu den Engpässen? „Ein Grund ist der extreme Preisdruck“, sagt PD Dr. Martin Hug. Er leitet die Krankenhausapotheke am Uniklinikum Freiburg. „Pharmazeutische Unternehmen verlagern die Produktion deshalb oft in Schwellenländer.“ Häufig fehlten die hiesigen Sicherheitsstandards, was Produktionsausfälle nach sich ziehe. „Ein weiterer Grund für Lieferprobleme ist die Konzentration der Roh- und Wirkstoffproduktion in wenigen Händen“, ergänzt Hug.
Doch was lässt sich unternehmen? „Ein erster wichtiger Schritt wäre eine verbindliche Meldepflicht bei Lieferengpässen für die Industrie“, fordert Dr. Matthias Fellhauer. Er ist Direktor der Apotheke des Schwarzwald-Baar-Klinikums. Derzeit melden Hersteller Engpässe an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beziehungsweise an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auf freiwilliger Basis. Oft erhalten Offizin- oder Krankenhausapotheker Informationen viel zu spät – wenn Arzneimittel bereits nicht mehr verfügbar sind.
Für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist das Problem nicht neu. Zusammen mit Industrievertretern und Verbänden hat er beim Pharmadialog einen regelmäßigen „Jour fixe“ vereinbart. Experten trafen sich bereits am 8. September und am 12. Dezember. Darüber hinaus hat sich die pharmazeutische Industrie verpflichtet, ihre Prozesse und ihr Qualitätsmanagement zu optimieren. Auf sichtbare Erfolge warten Apotheker jedoch vergebens.