Medizinstudent Lukas Widmann vereint seine Leidenschaft für Fußball und Medizin in einem Hilfsprojekt im westafrikanischen Staat Burkina Faso. DocCheck sprach mit Lukas darüber, wie die Arbeit der Medizinstudenten vor Ort genau aussieht.
Eigentlich wollte Lukas Widmann Profifußballer werden. Er spielte in einer ganzen Reihe von Vereinen mit dem Ziel, dort später eine Karriere zu starten, entweder als Spieler oder als Trainer. Doch irgendwann merkte Lukas, dass ihm der Fußball nicht das gab, was er brauchte. Trotzdem studierte er zunächst Sportwissenschaften mit dem Ziel, eine Fußballkarriere zu starten. Dabei entdeckte Lukas seine wahre Leidenschaft – besonders die Neuroanatomie-Vorlesungen hatten es dem Fußballer angetan. 2014 entschied sich Lukas für ein Medizinstudium in Frankreich. Mittlerweile studiert er im 6. Semester an der Universität von Poitiers und kann sich nichts Schöneres vorstellen. In Frankreich gibt es ein besonderes Hochschulsystem. Jede Fachschaft wählt einen Bereich aus, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Lukas Leidenschaft für den Fußball und die Medizin ließen ihn auf eine ungewöhnliche Idee kommen: Er und 25 weitere Kommilitonen gründeten ein Hilfsprojekt namens „Laafi Bala“ in Burkina Faso. Das bedeutet in der Landessprache so viel wie „Geht's dir gut?“
Das Hilfsprojekt ist dazu gedacht, die sehr arme Bevölkerung mit medizinischer Versorgung zu unterstützen. Dazu reisen die Studenten auch vor Ort und leisten humanitäre Hilfe. Jedes Jahr gibt es eine etwa sechsköpfige Abordnung, die ihren Weg nach Burkina Faso antritt. Ihre Erfahrungen dort vermachen sie der nächsten Studentengeneration für den folgenden Besuch. DocCheck sprach mit Lukas darüber, wie die Arbeit der Studenten genau aussieht. DocCheck: Lukas, wann und wie bist du auf die Idee gekommen, ein eigenes Hilfsprojekt in Burkina Faso zu gründen? Lukas Widmann: Das Hilfsprojekt bestand schon zwischen der medizinischen Fachschaft Poitiers (CREM) und einer Hilfsorganisation vor Ort, die von zwei Sanitätern und einem Auszubildenden geführt wird. Doch die Organisation war sehr klein und nicht sehr bekannt. Als ich davon gehört hatte, wollte ich sofort mitmachen und die Organisation möglichst schnell bekannt machen und auf Vordermann bringen. Außerdem finde ich es wichtig, mich als Medizinstudent mit humanitärer Hilfe zu beschäftigen, da wir ansonsten den Sinn und die Basis unserer Arbeit in den vor Technik strotzenden Krankenhäusern der Industriestaaten leicht vergessen können. DocCheck: Wie sieht deine bzw. eure Arbeit dabei genau aus? Lukas: Unsere Arbeit in Frankreich besteht hauptsächlich darin, Partner zu finden und durch verschiedene Aktionen Geld zu sammeln. Dazu zählen zum Beispiel ein wöchentlicher Crêpes-Verkauf an der medizinischen Fakultät, Medizinerpartys, Bowling-Aktionen, ein von mir ins Leben gerufenes Sportturnier zwischen den Fächern Pharmazie, Medizin, Physiotherapie und Hebamme, eine große Tombola sowie im Januar ein Besuch an der medizinischen Fakultät Hamburg, die vielleicht unser Partner wird. Als Präsident von knapp 30 Studenten ist es meine Aufgabe, die verschiedenen Projekte zu koordinieren. Außerdem fliegt jedes Jahr ein Team von Studenten nach Burkina Faso, um die Sanitäter vor Ort zu unterstützen. In diesem Jahr werden wieder rund 15 Studenten in drei Gruppen anreisen. Momentan stehen wir wöchentlich mit den Helfern vor Ort in Afrika in Verbindung und unterstützen die dorthin reisenden Studenten mit Erfahrungsberichten von vergangenen Reisen. Ziel ist es außerdem, einen neuen Krankenwagen für Burkina Faso zu organisieren. DocCheck: Warum ist es so wichtig, dass es deine Organisation gibt? Lukas: Wir haben ein Projekt, das allein von Studenten organisiert ist, und tragen dadurch eine große Verantwortung. Im Oktober 2015 fand in Burkina Faso ein Putsch statt, der große Armut für die Bevölkerung zur Folge hatte. Über unsere Spenden werden die beiden einzigen Sanitäter vor Ort bezahlt, ohne sie gäbe es in mehreren Vierteln von Ouagadougou, der 1,2-Millionen-Metropole Burkina Fasos, keine einzige medizinische Versorgung. Da es keine anderen Hilfsorganisationen in der Region gibt, sind die Kinder und Erwachsenen auf unsere Hilfe angewiesen.
Auch seine Kontakte zum Fußball helfen Lukas bei der Projektvorbereitung. Sein ehemaliger Verein spendete zuletzt eine ganze Menge an nicht mehr benötigter Ausrüstung und so konnten die Studenten Fußbälle, Fußballschuhe und Co an die afrikanischen Kinder verschenken. Statt barfuß in Staub und Dreck zu spielen, hatten die Einwohner nun Trikots und feste Schuhe. Zum Dank ist Lukas oft zum Kicken mit den Älteren eingeladen worden. Aber auch sonst konnten die Studenten mit Spendengeldern vor Ort helfen. Sie bauten zum Beispiel ein Haus, das als einziges im Viertel Strom und fließend Wasser hat, und stellten eine festbezahlte Köchin zur Versorgung der Kinder und Verkauf von Straßensnacks an. Ihr großes Ziel ist es, eines Tages eine ganze Organisation vor Ort zu haben, die sich selbst finanzieren kann. DocCheck: Gab es ein Erlebnis in Burkina Faso, das dich besonders berührt hat? Lukas: Im 4. Semester war ich selber in Burkina Faso. Dort gab es eine schwangere Frau, die zu uns Sanitätern kam. Als bei ihr plötzlich die Wehen einsetzten, musste ich ohne jede Erfahrung bei der Geburt assistieren. Zuerst war ich ziemlich unsicher, aber die Frau und ihre anwesende Mutter hatten ziemlich großes Vertrauen in mich. Ich habe versucht, mein Bestes zu geben und am Ende war die Geburt erfolgreich und die Leute glücklich. DocCheck: Wie unterscheidet sich das Gesundheitssystem in Burkina Faso von dem in Europa? Lukas: Die Gesundheitssysteme in West-Afrika sind bis auf das in Ghana ähnlich wie das System in Frankreich. Für die Grundversorgung gibt es eine staatliche „Securité Sociale“, die ähnlich wie unsere Krankenkassen funktioniert, und die „Mutuelles“, um eine Grundversicherung zu haben und die kompletten Krankenkosten erstattet zu bekommen. Das Problem in Burkina Faso ist, dass zwar die Gesetze und Richtlinien sehr an Frankreich angeglichen sind, es aber keinen Überblick darüber gibt, wie viele Kinder in welchem Viertel und in welcher Familie leben. Dadurch besteht überhaupt keine Kontrolle. Für einfache Verletzungen gibt es sogenannte „Dispensers“, das sind medizinische Einrichtungen mit ausgebildetem Personal, aber ohne Arzt. Gegen eine Bezahlung von knapp 1,50 Euro, was in Burkina Faso schon einiges wert ist, werden die Patienten dort behandelt. Reiche und Europäer haben in Ouagadougou aber ein eigenes Krankenhaus mit französischen Ärzten. Dieses ist im Normalfall für die arme Bevölkerung nicht bezahlbar. Die ganz Armen können sich noch nicht einmal die „Dispensers“ leisten. Sie haben also gar keine medizinische Versorgung. Für genau diese Leute haben wir unsere Organisation ins Leben gerufen. Sie ist fest in dem Viertel verankert und hilft allen Leuten, die sich keine medizinische Behandlung leisten können. [smartslider3 slider=7] DocCheck: Wie vereinbarst du deine zeitintensive Arbeit bei „Laafi Bala“ mit dem aufwändigen Medizinstudium? Lukas: Bisher habe ich keine Probleme, meine Arbeit bei „Laafi Bala“ mit dem Medizinstudium zu vereinbaren. Natürlich verursacht vor allem die Organisation in der Klausurphase etwas Stress, aber es ist zu schaffen, wenn man gut organisiert ist. Effektives Arbeiten und Stresstoleranz musste ich auch schon bei meiner Zeit im Jugendfußball lernen. Wenn man weiß, was man machen will, schafft man es auch, dafür etwas Zeit und Platz in seinem Leben zu finden. DocCheck: Was kannst du aus deinem sozialem Engagement für das Medizinstudium mitnehmen? Und umgekehrt? Lukas: Medizinstudent zu sein hilft mir natürlich insofern, als dass ich die nötigen medizinischen Grundkenntnisse für die Arbeit in Burkina Faso habe. Man muss allerdings dazu sagen, dass die geforderten Kenntnisse dort nicht wahnsinnig hoch sind. Schon einfache Maßnahmen wie bestimmte Hygienemaßnahmen – z. B. Hände oder Lebensmittel waschen – haben dort eine große Wirkung. Umgekehrt profitiere ich natürlich ungemein von der Erfahrung, die ich damals als Helfer vor Ort machen durfte. Und das nicht nur in medizinischen Belangen. Insbesondere mit der Flüchtlingskrise und dem starken Rechtsruck innerhalb der Politik hat mein soziales Engagement dazu geführt, dass ich mich nun auch zunehmend politisch in Europa engagieren möchte. Seit dem Aufenthalt in Afrika fühle ich mich nicht nur als Europäer, sondern als Weltbürger und als dieser müssen wir überall auf der Welt helfen – ohne Grenzen und Diskriminierung. DocCheck: In welche Richtung willst du später als Arzt gehen? Lukas: Am liebsten würde ich später in der pädiatrischen Traumatologie als Chirurg arbeiten. Allerdings steht diese Entscheidung noch nicht hundertprozentig fest. Was ich jedoch sicher möchte, ist später bei Hilfsprojekten mit Médecine Sans Frontières (MSF), den französischen Ärzten ohne Grenzen, zu arbeiten. Auch den Fußball will ich nicht ganz aufgeben – er wird jedoch wahrscheinlich nur Teil meiner Freizeit bleiben. DocCheck: Wie viele Medizinstudenten beteiligen sich bei eurem Hilfsprojekt? Wie können Interessierte mitwirken? Lukas: Zurzeit sind wir knapp 30 Studenten, wobei 23 davon neue Mitglieder sind und sieben, die schon letztes Jahr in Afrika mit dabei waren. Interessierte können uns jederzeit mit Material oder Geldspenden unterstützen oder auch an ihrer Universität eine „Laafi Bala“-Gruppe gründen und dann mit uns zusammen Geld und Erfahrungen in Afrika sammeln. Zurzeit suchen wir vor allem einen Krankenwagen und einen Geländewagen für die Sanitäter vor Ort. Wenn jemand Kontakte oder Ideen hat, kann er uns jederzeit kontaktieren. DocCheck: Was planst du in Zukunft für Projekte mit deinem Verein? Lukas: Zurzeit stehen wir mit der medizinischen Fachschaft von Hamburg in Kontakt. Die Studenten dort wollen auch eine „Laafi Bala“-Gruppe gründen und unser Projekt weiter ausbauen. Wir würden gerne einen europäischen Austausch ins Leben rufen, um nicht nur gemeinsam humanitäre Hilfe in Afrika zu leisten, sondern auch gegenseitig verschiedene Gesundheitssysteme in Europa kennenzulernen.