Bisher war unklar, welche Zellen eines Tumors metastasieren können. Dafür sind offenbar bestimmte fettempfindliche Rezeptoren notwendig, die metastasierende Zellen in ihrer Membran tragen. Fettreiche Kost, vor allem Palmfett, fördert die Metastasenbildung.
Viele Tumoren können heutzutage schon gut behandelt werden – allerdings bevor sie Metastasen gebildet haben. Wenn der Krebs im Köper gestreut hat, ist er in 90 Prozent der Fälle nicht mehr zu bändigen. Die Mechanismen, mit denen sich einzelne Zellen aus einem Zellverband lösen, um über den Blutstrom oder das Lymphsystem zu wandern und an einer anderen Stelle im Körper einen neuen Tumor entstehen zu lassen, sind nahezu unbekannt. Unklar war bisher auch, ob alle malignen Zellen zur Metastasenbildung befähigt sind oder ob dieser Vorgang nur einer bestimmten Unterpopulation vorbehalten ist.
Mit Hilfe einer fluoreszierenden Färbung entdeckten Wissenschaftler nun einen bestimmten Zelltyp in Mundhöhlenkarzinomen, der in der Lage ist, Metastasen zu bilden. Diese Zellen trugen allesamt den Rezeptor CD36 in ihrer Zellmembran. Dieses Protein ist dafür verantwortlich, Fettsäuren in die Zelle aufzunehmen. Das Erstaunliche: Als die Forscher nicht metastasierende Tumorzellen mit CD36 ausstatteten, waren auch diese in der Lage, zu metastasieren.
Auch bei Melanomzellen und luminalen Brustkrebszellen konnten die Forscher diesen Effekt beobachten. Statistische Analysen von Patientenproben zeigten außerdem, dass auch die Metastasen von Eierstock-, Blasen-, und Lungenkrebs von CD36 abhängen. „Obwohl wir noch nicht alle Krebsarten getestet haben, können wir sagen, dass CD36 ein allgemeiner Marker für metastasierende Zellen ist – der erste Marker, den ich kenne, der allgemein spezifisch für Metastasen ist. Darauf deuten auch Studienergebnisse kooperierender Arbeitsgruppen hin“, so Studienleiter Salvador Aznar Benitah vom Stammzell- und Krebslabor des Instituts für Forschung und Biomedizin in Barcelona. Dank des neu entdeckten Markers und eines passenden Antikörpers können Wissenschaftler nun metastasierende Zellen im Labor gezielt selektieren und genauer untersuchen. „So können wir herausfinden, wie diese Zellen in einem Tumor verteilt sind, wann sie den Tumor verlassen und wo sie ankern. Außerdem wird sich zeigen, warum diese Zellen so fettsensibel sind“, erklärt Erstautorin Gloria Pascual.
Als nächstes untersuchten die Wissenschaftler, ob der Fettverzehr mit der Nahrung einen direkten Effekt auf die Metastasenbildung hat. Dazu fütterten sie Mäuse mit fettreichem Futter, das 15 % mehr Fett als gewöhnlich enthielt – einer Art „Cafeteria-Diät“. Dann verabreichten die Forscher den Tieren Mundhöhlenkrebszellen, bei denen unter normalen Fütterungsbedingungen etwa 30 % der Tiere Metastasen ausbilden. Mit der fettreichen Diät und entsprechend mehr Fetten im Blut entwickelten 80 % der Mäuse viel mehr und größere Metastasen. Im nächsten Schritt betrachteten die Forscher den Effekt von Palmitinsäure genauer. Diese pflanzliche Fettsäure ist der Hauptbestandteil von Palmöl und kommt in geringeren Anteilen in Kokos- und anderen Ölen, hauptsächlich aber in prozessierten Nahrungsmitteln vor. Die Forscher behandelten die Mundtumoren zwei Tage lang mit Palmitinsäure und spritzen sie dann in normal ernährte Mäuse. Das Ergebnis: Die Metastasenhäufigkeit stieg von 50 auf 100 Prozent an - alle Mäuse entwickelten CD36 abhängige Metastasen. „Bei Mäusen mit humanen Tumorzellen scheint es eine direkte Verknüpfung zwischen dem Fettkonsum und der Fähigkeit über CD36 Metastasen zu bilden zu geben“, so Benitah und weiter: „Wir brauchen weitere Studien, um den Zusammenhang von Ernährung und Metastasen klären zu können, vor allem, weil der Konsum von gesättigten Fettsäuren und Zucker in den industrialisierten Ländern dramatisch zugenommen hat. Fett ist für viele Körperfunktionen zwar unerlässlich, der unkontrollierte Konsum kann unsere Gesundheit aber durchaus beeinflussen, wie bereits am Beispiel von Darmkrebs und nun durch uns am Beispiel von Metastasen gezeigt wurde.“ Video: Im Moment testen die Wissenschaftler um Benitah, wie sich unterschiedliche Fette unserer Nahrung auf die Fähigkeit der Krebszellen zu metastasieren auswirken. „Vor der Veröffentlichung der Ergebnisse kann ich noch nicht allzu viel verraten. Nur soviel: Wir sehen sehr interessante Unterschiede! Manche Fettsäuren feuern die Metastasenbildung an, andere nicht - und manche scheinen sogar vor der Metastasenbildung zu schützen“, so Benitah. Auf Palmöl versucht der Wissenschaftler nun noch bewusster zu verzichten. „Leicht ist das nicht, denn viele Fertigprodukte aus dem Supermarkt enthalten Palmöl.“ CD36 als therapeutisches Ziel gegen Metastasen Die Metastasierung von Krebszellen lässt sich nicht nur durch einen Verzicht auf Palmitinsäure verringern, auch mit einem Antikörper hatten die Wissenschaftler Erfolg. Als sie den Fettrezeptor CD36 damit blockierten, konnten sie die Metastasenbildung stoppen. Das funktionierte sowohl bei immunsupprimierten Mäusen, als auch bei Mäusen mit intaktem Immunsystem. Der Antikörper gegen CD36 verhinderte im Tierversuch nicht nur die Neubildung von CD36 abhängigen Metastasen, er leistete auch gute Dienste bei Mäusen, bei denen der Tumor bereits gestreut hatte: Bei 20 % der Tiere bildeten sich die Metastasen komplett zurück. Bei den anderen reduzierte der CD36 Antikörper die Anzahl der Metastasen und ihre Größe um 80 bis 90 %. Studienleiter Salvador Aznar Benitah und Erstautorin Gloria Pascual im Stammzell- und Krebslabor des Instituts für Forschung und Biomedizin in Barcelona © M. Minocri, IRB Barcelona)
Im Tierversuch stimmen Resultate und Nebenwirkungen optimistisch: Die metastasenreduzierende Antikörperbehandlung wurde von den Tieren gut vertragen. Spätere Autopsien, Blut- und Gewebeanalysen zeigten keine intolerablen Nebenwirkungen der Behandlung. Für ihre Entdeckung haben die Wissenschaftler bereits einen Patentschutz beantragt. Therapeutische Antikörper werden in Kooperation mit einem englischen Unternehmen entwickelt werden. Verläuft die Entwicklung nach Plan, könnte der Antikörper in fünf bis zehn Jahren zur Anwendung bei Krebspatienten zur Verfügung stehen. Quelle: Nature: Targeting metastasis-initiating cells through the fatty acid receptor CD36