Heute habe ich bei der Abdomensonographie einer älteren Patientin eine verdächtige Struktur am Pankreaskopf gesehen. Es war nichts kleines, mit einem Durchmesser von fast 4cm. Die Patientin hatte bereits schon Brustkrebs überstanden und diverse andere Schicksalsschläge, und ich konnte die Angst in ihren Augen sehen, als ich sie fragte, ob sie schon mal irgendwas mit der Bauchspeicheldrüse hatte. Dann fiel ihr zum Glück ein, dass sie "wegen irgendwas an der Drüse" schon öfters im MRT gewesen wäre. Nach kurzer Recherche kam raus, dass dieser Prozess am Pankreaskopf schon seit 4 Jahren unverändert bekannt war und genau die Ausmesser und Form hatte, die ich auch im Sono gesehen hatte. Als ich ihr das mitteilte, fiel mir die Patientin vor Freude und Erleichterung um den Hals. Sie hatte kurzzeitig wahnsinnige Angst gehabt, dass der Krebs doch wieder da ist. Und war daraufhin umso erleichterter, als ich sie beruhigen konnte.
Morgen kommt ein Patient zu mir, noch nicht einmal 60 Jahre alt, dem werde ich beibringen müssen, dass er höchstwahrscheinlich Lungenkrebs hat. Bereits metastasiert. Vor einer Woche stellte er sich vor, eigentlich nur wegen einer hartnäckigen Sinusitis, und im Zuge meiner Anamnese kam raus, dass er die komplette B-Symptomatik bietet. Außerdem ist er starker Raucher und Trinker, und hat seit einem Jahr einen hartnäckigen Husten. Im von mir veranlassten Röntgen tauchte eine relativ große Raumforderung auf, die sich im CT bestätigte, inklusive wahrscheinlicher Metastasen in Lymphknoten und Leber. Ich habe ihm heute bereits ein Bett in einem onkologischen Zentrum organisiert. Nun muss ich ihm das morgen "nur" noch beibringen. Vielleicht wird er mir auch um den Hals fallen, aber sicher nicht aus Freude oder Erleichterung, sondern eher aus Schmerz und Angst.
Viele der Patienten in der Praxis sind nicht schlimm krank, ihnen gehts eine Weile nicht gut, und dann wird es auch wieder besser. Bei einigen Patienten befürchtet man das Schlimmste, was sich dann aber zum Glück als nicht wahr erweist, und bei manchen Patienten hofft man für das Beste, leider bestätigt sich das Schlimmste.
Freud und Leid. Direkt nebeneinander. Oder anders gesagt: Leben.
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