Ein kalter und dunkler Januarabend: Ich hatte es mir mit meinem Teller Kaninchenfutter gemütlich gemacht (noch halte ich mich an meine Neujahrsvorsätze) und aus Mangel an Alternativen den Fernseher angemacht. Irgendwie blieb ich bei einer Serie über einen Hausarzt in einer ländliche Gegend hängen, meiner Situation nicht ganz unähnlich. Aber der hatte einen viel spannenderen Tagesablauf als ich.
Zunächst einmal traf und behandelte er seine Patienten überall, beim Einkaufen, beim Spazierengehen, beim Essen gehen, auf der Straße, bei Freunden... Nur in seiner Praxis war er kaum. Braucht man ja auch nicht, wenn die Patienten einem hinterher laufen. Wenn doch mal ein Patient ein bißchen schlimmer krank ist, dann füllt er nicht einfach den roten Einweisungsschein aus und ruft den Krankentransport an,so wie ich das mache. Nein, er fährt persönlich mit, um im Krankenhaus angekommen schon von weiten den Kollegen Befehle zu zurufen, die diese natürlich auch prompt ausführen. Abgerundet wird diese Betreuung dann mit täglichen Besuchen des Patienten im Krankenhaus, um den Patienten Mut zu zusprechen und den etwas auf dem Schlauch stehenden Kollegen entscheidende Hinweise zur Findung der richtigen Diagnose zu geben. Toll.
Als ich das gesehen habe, wurde mir klar, irgendwas machst du wohl falsch. Ich hab noch nie meine Patienten im Krankenhaus besucht. Überhaupt, seine Patienten: Durchweg eher jüngere, gutaussehende, interessante Menschen, gut gepflegt, in schönen Häusern. Ach und neben dieser absoluten Spitzenbetreuung seiner Patienten deckte er auch nebenbei 20 Jahre alte Familiengeheimnisse auf, was am Ende dazu führte, dass alle glücklich und natürlich auch wieder gesund waren. Super. Da ist man dann bestimmt gerne Arzt.
Ein anderer kalter und dunkler Januarabend: Ich musste nach der Abendsprechstunde noch einen letzten Hausbesuch fahren, ein alter Mann, alleinstehend, schwer herzkrank. Bei der Adresse angekommen, sah ich erst einmal: nichts. Es war stockdunkel, und natürlich gab es keine Grundstücks- oder Straßenbeleuchtung. Passenderweise gab auch meine Taschenlampe nach 2m den Geist auf, so dass ich mich tastend und stolpernd durch das etwas zugewachsene Grundstück zum Haus vorarbeitete. Dort angekommen, konnte ich meinen Patienten durchs Fenster sehen. Er war gerade dabei, ins Bett zu gehen. Offensichtlich hatte er bereits wieder vergessen, dass ich komme. Nunja. Ich klopfte also und wartete, dass er wieder seine Hose anzieht, um mir aufschließen zu können.
Während ich also im leichten Nieselregen vor der Tür stand, fiel mir ein stärker werdender Geruch auf. Ein kleiner Schnuppertest bestätigte: Ich stand in einer Pfütze Urin. Wie die vor seine Haustür gekommen ist- ich möchte es gar nicht wissen. Von mir war sie jedenfalls nicht. Zum Glück hatte ich meine wasserfesten Schuhe an. Dachte ich jedenfalls. Nachher im Auto stellte sich das als Trugschluss heraus.
Endlich im Haus, hatte ich Mühe, ein leeres, sauberes Plätzchen zu finden, wo ich in Ruhe meine Notizen machen und meine Gerätschaften ausbreiten kann. Nach ein wenig Suchen in vier komplett zugemüllten Zimmern fand ich eine saubere Ecke zum Schreiben. Aber auch das war ein Fehler. Denn als ich meine Unterlagen wieder einpacken wollte, ging das nicht, sie waren am Dreck der Tischdecke festgeklebt.
Nachdem ich meinen Weg durch das Gestrüpp zurück zu meinem Auto gefunden und erstmal alles gründlich desinfiziert hatte, musste ich an die Landarztserie denken. Man, so ein Fernseharzt arbeitet schon in einer schönen idealen Welt. Ich muss mit der realen vorlieb nehmen, aber wer weiß, vielleicht möchte der Fernsehlandarzt mal für eine Woche tauschen? Ich würde mich anbieten.
Titelbild (Außenseite): The Joneses / flickr / CC by-sa