Letzten Montag gegen 11 Uhr kam ein junger Mann in die Sprechstunde. Verbundene Handknöchel, eine Fahne bis zum Fenster und sehr flapsig. Ich fragte ihn, was los sei. Joah, er hätte die Nacht davor mal wieder im Suff gegen einen Schrank geboxt. Nun sind die Handknöchel dick geschwollen, so kann er natürlich nicht in seinem Handwerkerberuf arbeiten gehen. Vor genau 2 Wochen war er mit derselben Geschichte und geschwollenen Handknöcheln an der anderen Hand zu mir gekommen. Auf meine Frage, ob es öfters vorkomme, dass er unbescholtene Schränke vermöbelt, erntete ich nur ein Grinsen. Wahrscheinlich war es gar kein Schrank, sondern ein anderer Mensch.
Also wieder dasselbe Prozedere abgespult, Röntgen, Verband und AU für 3 Tage, denn seine Finger waren so dick geschwollen, dass er beim besten Willen nicht damit arbeiten gehen konnte.
Am Freitag kam er dann wieder zu mir, wieder mit Fahne. Er wäre dann doch mal gestern beim Röntgen gewesen, die Bilder hatte er dabei. Auf die Frage, warum er nicht gleich am Montag zum Röntgen gegangen war, nur Schulterzucken.
Ein Blick auf das Bild genügte mir. Fraktur des Os metatarsale V, eingestaucht und abgekippt. Ein Fall für den Handchirurgen. Das teilte ich ihm auch mit, worauf ich wieder nur ein Grinsen erntete. "Och, najaaaa, so ne kleine OP, wat macht dat schon" und "Ach, dann kann ich bestimmt erstmal ne ganze Weile nicht arbeiten gehen, oder? Hähähä schön."
Da überkam mich der starke Wunsch, einmal meine Faust zu nehmen und einfach reinzuschlagen. Sozusagen als pädagogische Maßnahme. Habe ich natürlich nicht gemacht. Ich habe es mir auch nicht anmerken lassen.
Aber ich habe danach darüber nachgedacht, was dieser Patient das Gesundheitssystem kostet, für eine Verletzung, die er sich selbst zugefügt hat. Da es das zweite Mal war, gehe ich davon aus, dass er wusste, welches Risiko man eingeht, wenn man ohne Sinn und Verstand auf irgendetwas raufboxt. Nach soviel Dummheit sich dann auch noch zu freuen, dass man jetzt krankgeschrieben wird und noch mehr Zeit für Dummheiten hat, ist eigentlich nur noch frech.
Eigentlich müsste er sich an den Kosten für die OP, Arbeitsausfall etc. beteiligen, stattdessen profitiert er in seinen Augen nur: bezahlter "Urlaub" extra für den Preis von ein bißchen OP.
Sicher, ich weiß, das solche "pädagogischen Maßnahmen" wie Beteiligung an den Kosten nicht möglich sind, und das ist vielleicht auch ganz gut so.
Trotzdem, bei soviel Arroganz, Ignoranz und fehlendem Unrechtsbewusstsein, wünschte ich, dass es doch ein paar "pädagogische Maßnahmen" gebe, die man anwenden könnte, außer der Standpauke und einer eher knapp bemessenen Krankschreibung.
Zum Glück sind die meisten Patienten nicht so, sonst würde ich mir wirklich Sorgen um unsere Zukunft und unsere Gesellschaft machen.