Frau Säuerlich betritt die Apotheke – gleichzeitig mit einem anderen Kunden. Ich kenne die Kundin schon und bin entsprechend vorgewarnt, allerdings heute war es besonders schlimm. Frau Säuerlich ist, wie der Name schon sagt … säuerlich. Sie macht auch in Ruhestellung ein Gesicht wie wenn sie gerade in eine Zitrone gebissen hätte – die Amerikaner sagen dazu Catbutt-face. Sie ist schwierig. Ich weiss nicht, wie sie das schafft, aber … sie regt mich auf. Mit jedem einzelnen Satz, den sie sagt.
Es fängt schon an als ich (freundlich lächelnd) auf sie zukomme zum bedienen. Sie ist zusammen mit einem anderen Kunden in die Apotheke gekommen und meine Kollegin, die vorne stand, nahm sich ihn an … was Frau Säuerlich schon nicht passte. Wie ich am Gesichtsausdruck und der ungeduldig winkenden Hand erkennen konnte, war sie der Meinung, dass sie zuerst hereingekommen ist. Die beiden waren etwa gleichzeitig und sie ist direkt nach dem Eingang stehen geblieben – wohingegen er weiter gegangen ist und so zuerst von meiner Kollegin bedient wurde und ich erst den Weg zu ihr nach vorne machen musste.
Zwischenbemerkung: Ja, meine Kollegin wollte sie auch nicht unbedingt nehmen – es ist schon vorgekommen, dass Frau Säuerlich zu ihr gesagt hat: „Ist denn sonst niemand da, der mich bedienen könnte?“ Oder ungesagt: Sie will ich nicht.
Also komme ich zur schon angesäuerten Kundin nach vorne (nach ganz vorne).
Ich: „Grüetzi!“
„Melisse“ wirft sie mir entgegen – ohne Grüetzi oder Guten Tag. „Wofür ist das?“ Und als Nachsatz„Melissentee.“
Pharmama: „Das ist beruhigend und krampflösend bei Magen-Darm Beschwerden.“
Frau Säuerlich: „Das ist nicht gegen Blähungen?!“
Ich weiss nicht, wie sie es macht, aber das hört sich direkt anklagend an.
Pharmama: „Nun, indirekt schon – aber für Blähungen wäre Fenchel bes…“
Frau Säuerlich: „Das habe ich schon probiert. Nützt nix. Haben Sie Arnika-Salbe?“
Pharmama: Etwas überrascht ob dem schnellen Themawechsel: „Ja.“
Frau Säuerlich (ironisch überrascht tönend): „Oh, haben Sie.?“
Pharmama: „Ja, Moment, ich zeige sie Ihnen.“
Ich hole die Weleda Salbe in 2 Grössen
Frau Säuerlich: „Ach. Weleda.“ Sie klingt tatsächlich abschätzig. „Haben Sie keine andere?“
Pharmama: „Hier nicht, ich kann andere bestellen …“
Frau Säuerlich: „Nein, schon gut. Ich nehme die kleine – das muss ich erst ausprobieren. Wie teuer ist die?“
Wir gehen zur Kasse.
Pharmama: „Das macht 12.90.-…“
Frau Säuerlich: „Wiiieeviieeel? Grmmpf.“
Sie fängt an das Geld herauszuzählen
Ich (währenddessen): „Die ist gegen Quetschungen, Prellungen und blaue Flecken, bitte nicht auf offenen Wunden anwenden.“
(Sie wollte ja Info von mir. Kann sie haben.)
Frau Säuerlich: „Und Schmerzen.“
Pharmama: „Nein, die ist nicht gegen Schmerzen.“
Frau Säuerlich: „Meine Tochter hat mir die empfohlen. Also nicht gegen Schmerzen?“
Pharmama: „Nein.“
Frau Säuerlich: „Dann nehme ich sie nicht. (Sie schaut mir über die Schulter) Was haben Sie sonst zum einreiben gegen Schmerzen? … (und ohne zu warten) … ah – Voltaren natürlich.“
Pharmama: „Voltaren wäre eine Möglichkeit, oder …“
Frau Säuerlich: „Was sind das für kleine da unten?“
Pharmama: „Das sind die Voltaren Tabletten …“
Frau Säuerlich: „Nein, Tabletten will ich nicht… haben Sie mir kein Muster vom Voltaren?“
Pharmama: „Ich schau mal, was ich habe … Nein, tut mir leid. Im Moment habe ich nur Muster vom Perskindol zum einreiben gegen Schmerzen.“
Frau Säuerlich: „Grrmpf. Dann nehme ich halt das.“
Nimmt das Muster und geht wieder. Säuerlich, wie immer.
Eigentlich ist das fast lustig, wie sie es schafft, mich mit jedem Satz aufzuregen. Eine wahres kleines Kunststück. Da haben wir alles: Vom anklagenden Blick, weil sie nicht die erste war, die bedient wurde, über mich auszuquetschen und dann nicht zuzuhören / wieder abzuklemmen (ja, es gibt noch andere Sachen gegen Blähungen oder Schmerzen zum einreiben), anzutönen überrascht zu sein, dass wir etwas an Lager haben, sich über den Preis zu beklagen, Muster zu verlangen, auch wenn man nichts einkauft … und ihre ganz allgemeine Unzufriedenheit, die sie ausstrahlt.
So etwas am frühen Morgen und ich brauche danach ein bisschen Zeit, mich zu erholen um wieder entspannt auf den nächsten Kunden zuzugehen.
So ein Energiefresser.