Das Strophanthus Glykosid Ouabain fördert bei Langzeitbehandlung von Mäusen mit traumatischer Hirnverletzung die neuronale Regeneration und funktionelle Wiederherstellung der Gehirnleistungen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Ouabain ausgeprägte neuroprotektive Effekte besitzt und als Therapeutikum bei Patienten mit traumatischer Hirnverletzung geeignet sein könnte.
Die ubiquitäre, membrangebundene Natrium-und Kalium-aktivierte Adenosin 5'-triphosphatase (auch als Na/K-ATPase oder umgangsprachig als Natriumpumpe bezeichnet) ist ein zentrales Enzym im Säugetierorganismus, welches auf molekularer Ebene ein breites Spektrum von Funktionen innehat. Zu den vielfältigen Aktivitäten dieses Enzyms gehört die Regulation des Zellvolumens, der Osmolarität, des pH-Wertes und der Calciumionen-Konzentration, ebenso wie die Wartung des elektrischen Potentials der Plasmamembrane und der Transport von Ionen, Glucose und anderen Nährstoffen durch diese Membrane.
Mehrere endogene Substanzen beeinflussen die Aktivitäten der Natriumpumpe: Insulin, Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin), Thyroxin und Serotonin. Herzglykoside sind Prototypen für exogene Substanzen mit Wirkung auf die Natriumpumpe. In mikromolaren Konzentrationen hemmen sie, in niedrig-nanomolaren und sub-nanomolaren Konzentrationen stimulieren sie ebenso wie Adrenalin und Insulin die Ionen-Pumpfunktion der Natriumpumpe. Die in 1991 gemachte Entdeckung, dass das Strophanthusglykosid Ouabain (deutsches Synonym: g-Strophanthin) eine endogene Substanz sein könnte, intensivierte die Forschungen zu diesem altbekannten Wirkstoff ungemein. Es konnte gezeigt werden, dass Ouabain unabhängig von der Beeinflussung der Ionen-Pumpfunktion durch Einwirkung auf die Natriumpumpe vielfältige Signalkaskaden (Na/K-ATPase-Signalosome) induziert, welche diverse physiologische Prozesse beeinflussen. Eine Reihe von neuen Effekten des Ouabains wurden entdeckt. So fördert Ouabain u. a. das Wachstum von Herz-, Kreislauf- und Nervenzellen in vitro und in vivo.
Viele neuronale Prozesse und Erkrankungen, in denen die Natriumpumpe involviert ist, sind Gegenstand aktueller Forschungen zu Ouabain, z. Bsp. zerebrale Ischämie, Hirnverletzungen, Depression und Stimmungsstörungen, Manie, Stress, Alzheimer-Krankheit, Lernen und Gedächtnis, sowie neuronale Übererregbarkeit und Epilepsie [1]. Unter anderem konnte in-vitro an zerebralen Gewebeschnitten eine Neuroprotektion gegen ischämischen Schlaganfall gezeigt werden.
Eine Forschungsgruppe um David Lichtstein von der Hebrew University in Jerusalem, Israel, beschreibt nun in einer aktuellen Publikation [2] die Wirkung von Ouabain bei Schädel-Hirn-Verletzungen an Mäusen. Chronische Behandlung (dreimal wöchentlich intraperitoneale Verabreichung) mit subnanomolaren Konzentrationen verbessert Erholung und funktionelle Leistung der Mäuse deutlich. Die neuronale Zellproliferation in den mit Ouabain behandelten Mäusen verdoppelte sich im Vergleich zu unbehandelten Tieren. Die Anzahl der proliferierenden Zellen in der Subventrikularzone und in der Umgebung der Stelle der Verletzung stieg stark an. Histologische Untersuchung der Mäuse Gehirne zeigten nach 43 Tagen viel kleinere Läsionen in den mit Ouabain behandelten Tieren. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Ouabain ausgeprägte neuroprotektive Effekte besitzt und als Therapeutikum bei Patienten mit traumatischer Hirnverletzung geeignet sein könnte.
Diese Wirkungen wurden mit sub-nanaomolaren Ouabain-Konzentrationen (1μg/kg) erzielt. Derart geringe Konzentrationen verursachen keine Hemmung der Pumpfunktion der Natriumpumpe. Es ist nicht geklärt, ob die Wirkung über eine Stimulation der Natriumpumpe oder durch Aktivierung von Signalkaskaden erfolgt.
Literatur
[1] Brain Na(+), K(+)-ATPase Activity In Aging and Disease. de Lores Arnaiz GR, Ordieres MG, Int J Biomed Sci. 2014 Jun;10(2):85-102.
[2] Dvela-Levitt M, Cohen-Ben Ami H, Rosen H, Shohami E, Lichtstein D. Ouabain improves functional recovery following traumatic brain injury. J Neurotrauma. 2014 Jul 9. [Epub ahead of print]