Die Welt hat ein Recht auf Verdünnung. Wenn man Gerüchten Glauben schenken darf, basteln die Vertreter der Homöopathie an einer internationalen Hilfsorganisation. Ihre Logistik ist bestechend.
Die Homöopathie hat im Gegensatz zur Schulmedizin den Vorteil, dass sie per se grenzüberschreitend arbeiten kann. Warum, fragen Sie? Ganz einfach: Sie verfügt über die Kraft der Potenzierung. Während traditionellen Medizinern nichts anderes übrig bleibt, als ihren Arztkoffer zu packen und per Schiff oder Flugzeug in medizinische Krisengebiete zu reisen, können Homöopathen ohne größere Umstände fernbehandeln.
Wenn man beispielweise von einem Schiff einen Tropfen Quecksilber in den Nordatlantik fallen ließe, könnte man aus dem bislang therapeutisch unauffälligen, graugrünen Gewässer eine quasi unerschöpfliche Menge "Mercurius solubilis" machen - auch wenn die vollständige Durchmischung etwas dauern würde. Kranke in Schwellenländern mit Meerzugang bräuchten dann nur noch in der stets lieferfähigen Strandapotheke ein Näpfchen ins Wasser zu tauchen.
Rechnen wir nach: Der Atlantik hat ein Wasservolumen von etwa 354,7 Mio. km³. Das entspricht 354,7 x 1015 Kubikmetern oder 354,7 x 1018 Litern. Um nicht unnötig von Stellen vor dem Komma abgelenkt zu werden, runden wir auf 3,5 x 1020 Liter ab. Mit nur 3,5 Litern Tollkirsche-Urtinktur ließen sich also fast eine halbe Trilliarde Liter Belladonna D20 Hochpotenz herstellen. Bei einer Weltbevölkerung von 7 Milliarden Menschen wären das immerhin 5 x 1010 Liter pro Individuum - sicher genug, um eine wirksame Dauertherapie durchzuführen. Ok, das Schütteln der Lösung wird trotz Golfstrom schwierig, was möglicherweise dem Postulat der immateriellen Energiezufuhr widerspricht.
Aber wer will so kleinlich sein? Auf der Habenseite ließen sich - bei vertretbarem finanziellen Aufwand - eine Menge gesundheitlicher Probleme aus der Welt schaffen. Unter anderem Atemwegsentzündungen, grippale Infekte, Augenerkrankungen, Verdauungsbeschwerden und sogar Fehlfunktionen der endokrinen Drüsen - wenn man Hahnemann Glauben schenken darf. Das therapeutische Spektrum könnte man durch den Einsatz von Komplexmitteln sogar noch beliebig erweitern!
Ich werde deshalb in meinem nächsten Badeurlaub mit gutem Beispiel vorangehen und einen von den Behörden nicht genehmigten homöopathischen Feldversuch starten, indem ich unauffällig 5 ml Kamillenextrakt in das Mittelmeer (Volumen: 4,3 x 1018 Liter) pipettiere. Damit verwandele ich dann im Handstreich den gesamten Wasserraum zwischen Gibraltar und Tel Aviv in Chamomilla-Lösung D21. Soll gegen Schmerzen und weinerliche Stimmung helfen - und könnte die Italiener und Spanier über ihr Ausscheiden bei der WM hinwegtrösten. Ende September werde ich berichten. Wer heilt, hat Recht!