Strophanthin ist nur noch als frei verkäufliches homöopathisches Produkt und als rezeptpflichtiges Defekturarzneimittel verfügbar. Ausgearbeitete Konzepte zur Wiederzulassung von Ouabain liegen vor.
Die Strophanthus-Glykoside k- und g-Strophanthin (englisches Synonym: Ouabain) waren unter der Sammelbezeichnung „Strophanthin“ bis in die 1970er Jahre in Deutschland Standardmedikamente zur Behandlung von Herzerkrankungen. K-Strophanthin wurde vorwiegend zur intravenösen Applikation eingesetzt (Handelspräparat: Kombetin). G-Strophanthin/Ouabain wurde bevorzugt oral angewandt (Handelspräparate: Strophoral, Purostrophan, Strodival, Strophoperm u. a.).
1961 ist in Deutschland als Auflage der Römischen EU-Verträge das Arzneimittelgesetz erlassen worden. Es regelte zunächst nur die Registrierung von Stoffen deren Wirksamkeit nicht "allgemein bekannt“ war. Als Reaktion auf den Contergan-Skandal wurde das Arzneimittelgesetz 1976 zum Schutz der Patienten verschärft. Seither müssen für alle Medikamente Sicherheit und Wirksamkeit durch entsprechende Studien nachgewiesen werden. Arzneimittel, die bereits vor 1978 im Markt waren, wurden als „fiktiv zugelassen“ eingestuft. Die Hersteller erhielten die Auflage, innerhalb einer großzügig bemessenen Übergangsfrist durch entsprechende Studien Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Produkte nachzuweisen (Nachzulassung). Die Umsetzung dieser gesetzlichen Auflagen wurde von den Behörden äußerst generös gehandhabt. 1997 war eine Vielzahl von Nachzulassungen noch nicht abgeschlossen. Die „fiktiven Zulassungen“ wurden erneut verlängert. Unternehmen, die bis zum Stichtag am 01.02.2001 keine Studien zum Nachweis von Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Produkte vorgelegt hatten, haben die Zulassungen ihrer Produkte verloren. Die Unternehmen hatten das Recht, - mit der Möglichkeit einer Abverkaufsfrist von bis zu 2,5 Jahren - zuvor auf ihre Zulassung zu verzichten. Durch diese Regelung sind im Jahre 2001 etwa 10.000 Zulassungen in Deutschland erloschen. Die Nachzulassungsverfahren wurden forciert und Ende 2005 abgeschlossen.
Die Auflagen des Arzneimittelgesetzes galten ebenso wie für alle anderen Alt-Arzneimittel auch für die im Handel befindlichen Ouabain-Präparate. Bis 1990 hatten nahezu alle Hersteller von Ouabain-Präparaten den Vertrieb ihrer Produkte eingestellt. Das Strodival der Firma Herbert Arzneimittel GmbH wurde als einziges Produkt noch angeboten. Herbert Arzneimittel GmbH ist dann von der Brahms Arzneimittel AG übernommen worden, welche 2003 von dem schwedischen Generikahersteller Meda aufgekauft worden ist. Auch Meda hat keine der für eine Nachzulassung von Strodival notwendigen Studien durchgeführt. 2005 drohte deshalb die fiktive Zulassung für Strodival auszulaufen. Eine Gruppe von Ärzten, Heilpraktikern und Patienten intervenierte beim Bundesgesundheitsministerium und den im Bundestag vertretenen Parteien mit dem Ziel, eine Fristverlängerung zu erreichen. Das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) verlängerte daraufhin in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium letztmalig die fiktive Zulassung von Strodival mit der Auflage, erforderliche Studien zu Sicherheit und Wirkung des Produktes bis Juli 2011 vorzulegen. Meda hat die geforderten Daten nicht vorgelegt. Am 15. Juli 2011 hat das BfArM die fiktive Zulassung von Strodival deshalb zurückgezogen. Meda hat die bereits produzierten Strodivalvorräte noch verkaufen dürfen und den Vertrieb dann offiziell zum 1. August 2012 eingestellt.
Seither sind Ouabain basierte Präparate nur noch als frei verkäufliche homöopathische Produkte und als rezeptpflichtige Defekturarzneimittel verfügbar. Eingesetzt werden standardisierte Extrakte von Strophanthus-Samen, wässrig-alkoholische Lösungen des Wirkstoffs und in Kapseln abgefüllter fester Wirkstoff. Keine dieser Zubereitungen ist galenisch optimiert, entsprechend unsicher sind Resorption und Wirkung dieser Präparate.
Es hat sich eine im Internet rege Aktivistenszene etabliert, welche diese Zubereitungen mit zum Teil unverantwortlichen Heilsversprechen („sicherer Schutz vor Herzinfarkt“) propagiert. Strophanthin wird als Opfer einer kriminellen Verschwörung von Schulmedizin und Pharmaindustrie dargestellt. Angereichert werden die abwegigen Verschwörungstheorien mit eigenwilligen Interpretationen von experimentellen und klinischen Ergebnissen. In Fortsetzung einer Auseinandersetzung zwischen den Internisten Berthold Kern und Gotthard Schettler Ende der 1960er Jahre welche, - ausgelöst durch eine Artikelserie der Bunten Illustrierten - mediales Aufsehen erregt hatte, werden zudem die Ursachen von Herzinfarkt thematisiert. Aktuell hat sich nun auch die Jim Humble-Sekte des Strophanthin bemächtigt, welche bisher vor allem durch Anpreisung von Chlorlauge – umschrieben als "Miracle Mineral Supplements" (MMS) - als Universalmittel gegen Krebs, Aids, Malaria und weitere Krankheiten unrühmlich in Erscheinung getreten ist. Derlei Aktivitäten führen zur Stigmatisierung des Strophanthin als obsoletes, homöopathisches Quacksalber-Präparat.
Damit Strophanthin wieder zugelassen und breit verfügbar wird, müssen die Anforderungen des Arzneimittelgesetzes erfüllt werden:
- Dossier über die pharmazeutische Qualität des Präparates
- pharmakologische und toxikologische Studien und
- klinische Studien zum Nachweis von Sicherheit und Wirksamkeit
Nur mit der Erfüllung dieser Anforderungen wird es möglich sein, Ouabain mit seinem einzigartigen therapeutischen Wirkprofil wieder in das Portfolio von Mitteln zur Behandlung von Herzerkrankungen aufzunehmen. Ausgearbeitete Konzepte zur Wiederzulassung von Ouabain liegen vor.