Der Kontakt von Mund zu Mund spielt im Tierreich eine große Rolle. Dass ein Kuss weitaus mehr über zwei Menschen aussagt, als uns bisher bewusst war, fanden Remco Kort und Kollegen erst kürzlich heraus. Sie erzählen die Geschichte von Menschen und ihren oralen Mikrobiomen. Mit 80 Millionen übertragenen Mikroben ist der Kuss eher ein öffentliches Ereignis, zumindest aus Sicht der Bakterien.
In unserer Mundhöhle leben Millionen von unterschiedlichen Bakterien. Sie besiedeln unsere Zähne, unsere Zungenoberfläche und schwimmen sogar im Speichel. Erst seit Kurzem lernen Forscher weltweit, dass unser Mikrobiom – die Gesamtheit aller Bakterien des Menschen – die Prozesse in unserem Körper auf vielfältige Weise steuern und beeinflussen kann. Autoimmunerkrankungen, Übergewicht, ja selbst unser Sexualverhalten soll in gewissem Umfang mit den Mikroorganismen, die uns besiedeln, in Zusammenhang stehen. So soll das Küssen denn auch das Immunsystem des Menschen stärken.
10 Sekunden Küssen bei 80 Millionen Bakterien
Die Forscher um Remco Kort untersuchten Speichel und Zungenoberfläche bei 21 Paaren, die an einem kontrollierten Kuss-Experiment teilnahmen. Um die Menge an ausgetauschten Mikroben erfassen zu können, mussten die Probanden in einem zweiten Versuch probiotischen Joghurt essen, der hauptsächlich Lactobacillus und Bifidobacterien enthielt.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass küssende Partner bis zu 80 Millionen Bakterien austauschen und somit deutlich ähnlichere Mundmikrobiome hatten als sich unbekannte Personen. Interessanterweise war die Ähnlichkeit bei den Bakterien am größten, welche unsere Zungenoberfläche besiedeln. Dennoch scheinen diese Ähnlichkeiten nicht direkt vom Kuss abzuhängen. Sie sind wahrscheinlich vielmehr von den Lebensgewohnheiten, übereinstimmender Ernährungsweise sowie anderen Umweltfaktoren der Paare beeinflusst.
Da sich die Bakteriengemeinschaften nach dem letzten Kuss sehr schnell wieder individuell umgestalten, erhöht ein Kuss von Zeit zu Zeit nicht nur den Zusammenhalt der Partner, sondern sorgt auch für einen regelmäßigeren Austausch der „Mitbewohner“ in unserer Mundhöhle.
Quelle:
Kort R et al. Shaping the oral microbiota through intimate kissing. Microbiome 2014; 2:41