Patienten suchen immer häufiger im Ausland ihr medizinisches Glück, wie etwa bei der PID oder Zahnbehandlungen. Es geht ihnen nicht nur um preisgünstige Therapien – viele Eingriffe sind bei uns verboten. Das Thema wirft moralische Fragen auf. Wie sollten Ärzte reagieren?
Patientinnen und Patienten lassen sich immer häufiger jenseits deutscher Grenzen therapieren. Das ergab eine repräsentative Befragung der Internationalen Hochschule Bad Honnef - Bonn (IUBH). Bislang haben 5 Prozent der Deutschen bereits eine medizinische Behandlung im Ausland durchführen lassen. Und das Interesse wächst.
Aktuell können sich 55 Prozent aller Befragten eine Behandlung im Ausland vorstellen. Im Mittelpunkt stehen Kuren (36 Prozent), Zahnbehandlungen (30 Prozent), Augenbehandlungen (14 Prozent) und kosmetische Eingriffe (11 Prozent). © IUBH Doch wie finden Patienten geeignete Angebote? In den meisten Fällen geht der Kontakt direkt über Ärzte oder Kliniken (46 Prozent). Spezialisierte Reiseveranstalter in Deutschland (32 Prozent) beziehungsweise vor Ort (17 Prozent) folgen. Nach den Gründen gefragt, argumentierten Medizintouristen mit Kosten (53 Prozent), mit der Möglichkeit, Behandlung und Urlaub zu verbinden (31 Prozent), aber auch mit der Tatsache, dass viele Verfahren nur im Ausland möglich sind (29 Prozent). © IUBH Das größer werdende Bedürfnis der Patienten nach einer Erbgutanalyse lässt sich in Deutschland nicht so einfach befriedigen. Laut deutschem Gendiagnostikgesetz darf eine diagnostische genetische Untersuchung nur durch Ärzte erfolgen; eine prädiktive genetische Untersuchung nur durch Fachärzte für Humangenetik vorgenommen werden (Paragraph 7). Das Regelwerk sieht ebenfalls Beratungen vor (Paragraph 10) – Patienten werden mit Tests nicht allein gelassen. Viele andere Länder haben keine derart hohen Standards.
Ähnlich sieht es beim Thema Präimlantationdiagnostik (PID) aus. Die Methode ist laut Embryonenschutzgesetz (ESchG) hier zu Lande verboten. Ausnahmen gibt es lediglich bei „schwerwiegenden“ Erbkrankheit sowie bei hoher Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt. „Schwerwiegend“ ist eine Erbkrankheit, falls sie mit einer geringen Lebenserwartung, schweren Symptomen und schlechten Behandlungsmöglichkeiten einhergeht. Ärzte dürfen keine Selektionen aufgrund sonstiger Anomalien vornehmen. Deshalb entscheiden sich viele Patienten für die USA. In den meisten Staaten existieren keine Verbote. Rund drei Viertel aller IVF-Kliniken haben entsprechende Leistungen im Portfolio. Für „Social Sexing“, sprich die Auswahl eines Geschlechts, gibt es ebenfalls kaum Einschränkungen. US-Mediziner schätzen, dass hinter jeder zehnten PID der explizite Wunsch nach einem Jungen oder Mädchen stecke. Genaue Zahlen haben sie aber nicht.
Beim Thema Leihmutterschaft zeigen sich ähnliche juristische Hürden in Deutschland. Aus medizinischem Blickwinkel ist erneut das ESchG von Bedeutung. Es verbietet Ärzten, Leistungen in diesem Zusammenhang anzubieten. Ähnlich streng sind die Regelungen in den EU-Staaten Bulgarien, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Österreich, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien und Ungarn. Patienten begeben sich deshalb auf Reisen. Rein kommerzielle Leihmutterschaften sind unter anderem in den USA, in Thailand, Indien und in Russland erlaubt. Stecken altruistische Erwägungen hinter der Entscheidung einer Frau, gibt es auch innerhalb der EU Länder mit liberaler Gesetzgebung.
Dass es sich keinesfalls um Herrschaftswissen handelt, zeigen diverse Online-Quellen. Beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht erfahren Interessierte per Mausklick, in welchen Ländern bestimmte Methoden möglich sind. Häufig fragen sie auch ihren Arzt um Rat. Deshalb hat die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer eine Stellungnahme zu ethischen und rechtliche Fragen des Medizintourismus veröffentlicht. Ihre Empfehlungen im Überblick:
Mit diesen Verhaltensratschlägen ist es aber nicht getan. Europa wächst zusammen, und Politiker wünschen sich auch bei Patienten mehr Mobilität. Umso wichtiger wäre es, Standards innerhalb der EU zu harmonisieren. Nicht in allen Fällen lassen sich nationale Unterschiede rechtfertigen.