Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) hat zum Thema Gesundheit und Patientenschutz am 9. Februar 2015 eine Studie zu Rückenschmerzen und deren hausärztliche Versorgung vorgestellt: Sie offenbart damit ein seltsam korruptives Verständnis, w e r eigentlich derartige Studien mit seiner Arbeitskraft bezahlen soll?
Zwei junge Test-Patientinnen mit angeblich verifizierbaren chronischen Rückenschmerzen besuchten je 30 Allgemeinmediziner. Sie wollten sich untersuchen und beraten lassen. Die Kriterien für eine gute Beratung, mit denen die Leistung der 60 Ärzte beurteilt werden sollte, wurden zuvor aus Leitlinien und Fachbüchern zusammengestellt und mit zwei Referenzärzten abgestimmt.
Wes Geistes Kind die Studienautoren/-innen sind, kann man an folgendem Originalzitat aus der Studie ablesen: "Selbst der Patientin, die zuvor schon mehrere Orthopäden besucht hatte und ein Röntgenbild mitbrachte, auf dem ein Bandscheibenvorfall zu sehen war, wurde von keiner Ärztin zur Operation geraten. Sie wurde im Durchschnitt besser, länger und ausführlicher untersucht und beraten als die zweite, die noch bei keiner Ärztin gewesen war und zudem ein weniger selbstbewusstes Auftreten zeigte."
Dazu noch die wenig geistreiche Anmerkung: * Aus Gründen der Sprachästhetik wird in der Einzahl die weibliche und in der Mehrzahl die männliche Form verwendet. Meist sind dabei jedoch beide Geschlechter gemeint.
Doch mit welchem Recht hat die VZHH zwei Patientinnen mit angeblich echten Beschwerden in Praxen verschiedener Hamburger Stadtteile geschickt, um den Erstkontakt mit Anamnese, Untersuchung und Beratung zu prüfen, wie sie selbst behauptet? Wie sollte ein Bandscheibenvorfall mit Nucleus pulposus Prolaps (NPP) und Ligamentum anulare Verformung ausgerechnet in einem "Röntgenbild" zu erkennen sein?
Welche Berechtigung und welcher Verhaltenskodex stecken dahinter, wenn die Bewertungskriterien zuvor gemeinsam mit zwei allgemeinmedizinisch versierten Referenzärzten festgelegt wurden, die Erfahrung als Gutachter haben?
1. Wenn zwei Patientinnen mit echten Rücken-Beschwerden in der Lage und willens sind, 60 zufällig ausgewählte Hausärzte aufzusuchen u n d zu überprüfen, können diese beiden per definitionem keine objektivierbaren Rückenbeschwerden mehr haben bzw. haben schon therapeutische Mobilisierungsmaßnahmen absolviert.
2. Wer zu zweit mit ein und demselben Beschwerdebild zu insgesamt 60 Ärzten geht, erschleicht sich unberechtigter Weise Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und verstößt gegen § 12 des 5. Sozialgesetzbuches (SGB V). Dort heißt es wörtlich in Absatz 1: "§ 12 Wirtschaftlichkeitsgebot (1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen."
3. Hamburgs Verbraucherzentrale müsste sich m. E. dem Vorwurf des planmäßigen und vorsätzlichen Betrugs stellen: Denn durch Beauftragung und Veröffentlichung ihrer Erhebung an 60 Hamburger Ärzten o h n e deren rechtsverbindliche Zustimmung, zu Lasten der Ärzte, ihrer KV und letztlich der GKV will sie einen Vermögensvorteil dadurch erlangen, das sie neue zahlende Mitglieder findet, multimediale Aufmerksamkeit erlangt und weiter vom Senat der Stadt Hamburg subventioniert wird.
4. Zugleich fehlt es der Hamburger Verbraucherzentrale offensichtlich an Verständnis für ihr e i g e n e s korruptives Verhalten. Arbeitskraft und Arbeitszeit Hamburger Hausärzte (42 Prozent nahmen sich 15 Minuten bis max. 35 Minuten für die Patientinnen Zeit) wurden ausschließlich für eigennützig propagandistische und n i c h t medizinische Zwecke missbraucht.
Dass die Hamburger Verbraucherzentrale ein fehlendes Unrechtsbewusstsein hat, ist die eine Sache. Die andere aber ist, dass die Rechtsabteilung der Kassenärztliche Vereinigung (KV-HH) Hamburg schon längst einen Strafantrag hätte stellen müssen, bzw. eine Schadenersatz- und eine Unterlassungsklage in Erwägung ziehen müsste.
Doch die hält nur die gewählten Kriterien einer objektiven Bewertung von zwei Rückenschmerz-Patientinnen mit angeblich echten Beschwerden für zweifelhaft? Dass die beiden Frauen im Auftrag der VZHH nach Angaben mit chronischen Rückenschmerzen 60 zufällig ausgewählte Hausärzte überprüft haben und damit GKV-Leistungen erschwindelten, die ihnen gar nicht zustehen, fällt der KV-HH gar nicht mehr auf.
Ein klassisches Beispiel, wie man Versorgungsforschung nun wirklich nicht betreiben sollte.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
Quellen:
A) Zusammenfassung
http://www.vzhh.de/gesundheit/367003/allgemeinmediziner-gerade-mal-mittelmass.aspx
B) Studiendarstellung
http://www.vzhh.de/gesundheit/367007/2015-02-09_Allgemeinmediziner.pdf
Bildquelle (Außenseite): Anders Sandberg, flickr, CC by