Auf einer Veranstaltung "Krankenhausinfektionen – Hintergründe, Gefahren und Strategien" in Berlin kritisierte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Karl-Josef Laumann kürzlich den sorglosen Umgang mit Antibiotika. "In der Humanmedizin werden 700 bis 800 Tonnen Antibiotika pro Jahr eingesetzt, in der Veterinärmedizin 1.700 Tonnen"
"Ich glaube schon, dass es weiterhin einer Aufklärung bedarf, dass der Einsatz von Antibiotika wesentlich sorgfältiger und restriktiver sein muss."
Doch auch Karl-Josef Laumann (CDU), "seit 2014 Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit sowie Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege", sollte angebliche "Verhaltensprobleme" in der Medizin in Klinik und Praxis nicht mit eigener Medizin-Bildungsferne und populistischem Ärzte-„Bashing“ kaschieren.
Ich möchte als beruflich aktiver Vertreter einer h a u s ä r z t l i c h e n individualisierten Humanmedizin, wo in K l i n i k und Praxis angeblich 700 bis 800 Tonnen Antibiotika pro Jahr sorglos und zu wenig restriktiv eingesetzt werden sollen, auf keinen Fall mit den in der Veterinärmedizin eingesetzten 1.700 Tonnen Antibiotika pro Jahr verglichen werden. Diese gehen, wie dem landwirtschaftlich erfahrenen Karl-Josef Laumann von der CDU durchaus bekannt sein sollte, mehrheitlich auf das Konto von umfangreichen Massentierhaltungen, großen Aufzuchtanlagen, Fleisch-Großproduzenten. Von zusätzlichen dubiosen Antibiotika-Bezugsquellen o h n e veterinärmedizinische Verordnung ganz zu schweigen.
Multi-resistente Keime kommen nicht aus heiterem Himmel und werden ausschließlich von unsachgemäß hantierenden, "unhygienischen" Krankenhaus- und Praxismitarbeitern auf arglose Patienten übertragen. Sondern diese Keime kommen selbst irgendwo her. Sie werden zu einem relevanten Anteil von a u ß e n in Klinik und Praxisräume hinein getragen. Der englische Fachbegriff "communicable diseases" trifft es: Übertragbare Krankheiten, die durch interagierende, kommunizierende Personen übertragen werden.
Jeder Landwirt aus einem Tiermastbetrieb, jeder Krankenhausbesucher mit Straßenschmutz an den Schuhen, jeder Tierhalter, egal ob Hund, Katze, Maus, Pferd o. ä., jeder Klempner, Müllwerker und Entsorger, aber auch Lehrer, Erzieher und alle, die mit vielen Menschen beruflich oder privat zu tun haben, könnten Träger von potenziell multiresistenten Keimen sein. Sogar Menschen, die nur kontaminiertes Putenfleisch kaufen, gehören zum Kreis der "Verdächtigen".
Weitere Risikofaktoren lieferten Infektiologen und Mikrobiologen aus Leipzig mit Daten von Fernreisenden: Die Erreger werden oft mit nach Hause gebracht (J Med Microbiol 2015; 305: 148). Über 12 Monate wurde in einer infektiologischen Studie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) das Risiko des Erreger-Imports durch Fernreisen untersucht. "Wir konnten dabei erstmals für Deutschland in einer größeren Kohorte zeigen, dass fast ein Drittel der Reisenden nach der Heimkehr aus Gebieten mit hoher Erregerdichte tatsächlich Träger multiresistenter Erreger ist", so Dr. Christoph Lübbert, Leiter des Fachbereichs Infektions- und Tropenmedizin am UKL.
Ist es vielleicht auch ein "Verhaltensproblem" der Großen Koalition aus CDU/CSU/SPD, wie mit humanmedizinischen Privat- bzw. Vertragsärztinnen und -Ärzten in der Praxis oder mit Klinik-Kollegen umgegangen wird? Ich persönlich weise jeden Hinweis auf ein persönliches Verhaltensproblem mit möglicherweise unberechtigten Antibiotika-Verordnungen zurück! Noch vor einigen Tagen habe ich in meinem diesjährigen Skiurlaub im Lungau/A bei einem befreundeten Skifahrer eine beginnende Orbitaphlegmone diagnostiziert und eine adäquate, Leitlinien-gerechte Antibiose eingeleitet.
Bildquelle (Außenseite): ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), flickr / CC by