Hautverletzungen heilen bei älteren Menschen langsamer als bei jüngeren. Forscher haben die Mechanismen untersucht, die hinter den Veränderungen im höheren Alter stecken. Die Ergebnisse helfen, neue Behandlungsansätze zur Beschleunigung der Wundheilung zu entwickeln.
Ältere Menschen brauchen meist länger, um sich von Krankheiten zu erholen. Auch Wunden heilen bei ihnen langsamer als bei jungen Menschen. Das beobachteten Mediziner schon im ersten Weltkrieg, als man feststellte, dass Kriegsverletzungen bei älteren Soldaten langsamer heilten als bei jüngeren. „An der Wundheilung sind viele verschiedene Faktoren beteiligt, die sich mit zunehmendem Lebensalter verändern“, sagt Irmgard Merfort vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, deren Forschung sich mit den Mechanismen der Wundheilung beschäftigt. „Zum Beispiel ist die Zellteilung bei älteren Menschen verringert und das Immunsystem ist oftmals schwächer. Zudem treten im höheren Alter häufig Erkrankungen auf, die die Wundheilung beeinträchtigen können, wie etwa Diabetes.“ Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass die Haut im Alter schlechter durchblutet ist und die meisten Zellarten seltener vorkommen. Auch Erkrankungen wie Gicht, ein schlechter Ernährungszustand, mangelnde Flüssigkeitszufuhr und bestimmte Medikamente können dazu beitragen, dass Wunden im höheren Alter schlechter heilen. Bisher war nicht genau bekannt, warum die Fähigkeit des Körpers, sich selbst zu heilen, im höheren Lebensalter beeinträchtigt ist. Nun hat ein Forscherteam von der Rockefeller University in New York City (USA) untersucht, welche molekularen Veränderungen in der Haut von alterenden Mäusen stattfinden. Die Ergebnisse geben Aufschluss über bisher unbekannte Aspekte der Wundheilung. Sie könnten dazu beitragen, neue Wirkstoffe zu entwickeln, die zur Beschleunigung der Wundheilung beitragen könnten. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „Cell“ erschienen.
Wenn eine Wunde auftritt, muss der Körper sie möglichst schnell reparieren, um die Schutzfunktion der Haut aufrecht zu erhalten und das Eindringen von Schmutz oder Bakterien zu verhindern. Bei älteren Menschen laufen diese Prozesse jedoch langsamer ab – was gleichzeitig die Gefahr von Infektionen erhöht. „Wundheilung ist einer der komplexesten Prozesse im menschlichen Körper“, erläutert Brice Keyes, einer der beiden Erstautoren der Studie. „Dabei müssen verschiedene Arten von Zellen und verschiedene molekulare Transportwege und Signalsysteme aktiv werden, die über Zeiträume von wenigen Sekunden bis hin zu Monaten wirksam sind.“ Bisher weiß man, dass an diesem komplizierten Prozess sowohl Haut- als auch Immunzellen beteiligt sind. Zunächst bildet sich Schorf über der Wunde. Anschließend wandern neue Hautzellen, Keratinozyten genannt, zur verletzten Hautstelle und füllen die Lücke unter dem Schorf. „Innerhalb von Tagen nach der Verletzung verschließen Hautzellen die Wunde“, sagt Elaine Fuchs, die Seniorautorin der Studie. „Bei diesem Vorgang ist es notwendig, dass sie mit nahegelegenen Immunzellen zusammenarbeiten.“
In ihrer aktuellen Studie untersuchten Keyes, Fuchs und ihr Team diesen zweiten Schritt der Wundheilung bei zwei und 24 Monate alte Mäusen – was etwa 20 und 70 Jahre alten Menschen entspricht. Sie beobachteten, dass die Keratinozyten bei älteren Mäusen deutlich langsamer zur verletzten Hautstelle unter dem Schorf wandern. Dadurch brauchten die Wunden oft mehrere Tage länger, um zu heilen. Gleichzeitig produzierten die Keratinozyten am Rand der Wunde bei älteren Mäusen deutlich weniger Signalproteine – so genannte Skints – als bei jüngeren Mäusen. Diese Skint-Proteine signalisieren den Immunzellen, dass sie in der Nähe bleiben und die Reparatur der Wunde unterstützen sollen. Wurden die Skint-Proteine bei jungen Mäusen unterdrückt, war auch bei ihnen die Fähigkeit zur Bildung neuer Haut gestört. „Unsere Experimente zeigen, dass die gestörte Kommunikation zwischen Haut- und Immunzellen diesen zweiten Schritt der Wundheilung verlangsamt“, erläutert Fuchs. Als nächstes wollten die Forscher herausfinden, ob es Möglichkeiten gibt, die Signalübertragung durch Skint-Proteine zu verbessern. Dazu setzten sie Hautzellen von jungen und alten Mäusen in der Petrischale ein Protein bei, das Immunzellen normalerweise nach einer Verletzung freisetzen. Das führte dazu, dass mehr Keratinozyten zur Wunde wanderten – vor allem bei den Hautzellen älterer Mäuse. Anders gesagt: Die alten Keratinozyten verhielten sich durch die Behandlung wieder eher so wie junge.
Die Wissenschaftler hoffen, dass dieses Prinzip in Zukunft eingesetzt werden kann, um neue Behandlungsmethoden zu entwickeln, die altersbedingten Verzögerungen bei der Wundheilung entgegenwirken. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es möglich sein könnte, Medikamente zur Verstärkung der Signale zu entwickeln, die normalerweise mit zunehmendem Alter schwächer werden“, sagt Fuchs. „Solche Wirkstoffe könnten dazu beitragen, dass die Hautzellen wieder besser mit den Immunzellen in ihrer Nachbarschaft kommunizieren.“ Auch das Team um Irmgard Merfort hat die molekularen Mechanismen der Wundheilung untersucht – allerdings nicht speziell bei älteren Menschen. Die Forscher wollten herausfinden, wie ein Extrakt aus der weißen Schicht der Birkenrinde in den verschiedenen Phasen der Wundheilung wirkt. Dabei beobachteten sie, dass die Substanz – und inbesondere der Inhaltsstoff Betulin – die Wundheilug beschleunigt. Der Extrakt beeinflusst verschiedene Prozesse der Wundheilung: In der ersten Phase des Heilungsprozeses trägt er dazu bei, dass mehr Makrophagen – die Fresszellen des Immunsystems – angelockt werden, welche Bakterien und totes Gewebe beseitigen. In der zweiten Phase führt der Wirkstoff dazu, dass Hautzellen schneller in die Hautlücke wandern und so die Wunde verschließen. Ein Wirkstoff auf der Basis von Birkenextrakt – an dessen Entwicklung die Freiburger Forscher mit beteiligt waren – ist seit Anfang 2016 auf dem Markt. „Wunden, die schlecht oder gar nicht heilen, kommen in der Praxis häufig vor – vor allem bei Diabetikern und auch bei älteren Menschen“, sagt Merfort. Wichtig sei es in diesen Fällen, die Wunde regelmäßig zu säubern und keimfrei zu halten, Druckbelastung zu vermeiden und die Wunde langsam zuwachsen zu lassen. Ansonsten gebe es bisher wenig wirksame Mittel, die die Wundheilung beschleunigen oder unterstützen könnten. „Neue Wirkstoffe werden hier dringend benötigt“, betont die Wissenschaftlerin.
Übrigens könnte auch das „Wundermittel“ Sport die Wundheilung bei gesunden älteren Erwachsenen fördern, wie eine kleine Untersuchung aus dem Jahr 2005 nahelegt. Die Teilnehmer zwischen 55 und 77 Jahren waren drei Monate lang drei Mal pro Woche eine Stunde lang sportlich aktiv – und ihre Wunden heilten signifikant schneller als in der Kontrollgruppe. Auch dieser Effekt sollte in zukünftigen Studien genauer untersucht werden, betonen Experten.